Die Sprengkraft der Rede
Im Winter 2009 von Dr. Luis Fuchs
Pfiffe und Buhrufe erntete unser Landeshauptmann bei der Naturerbe-Feier in Auronzo, als er während seiner Rede die Festgäste in deutscher und ladinischer Sprache grüßte; nicht nur dies, Durnwalder wurde von einem ranghohen italienischen UNESCO-Vertreter sogar mit Ghaddafi verglichen. Kaum zu fassen, dass ein paar gut gemeinte Grußworte statt zur Verständigung beizutragen nur benutzt werden, um das Misstrauen zwischen den Volksgruppen zu schüren.
Dass unbequeme Rednergestalten nicht nur mundtot gemacht, sondern wegen ihrer kritischen Botschaften aus dem Weg geschafft wurden, dafür liefert uns die Geschichte genug Beispiele. Der Prediger Girolamo Savonarola wetterte unter Androhung eines hereinbrechenden Strafgerichts gegen den Sittenverfall im Florenz des ausgehenden 15. Jh.s; dafür wurde er vom Papst Alexander VI. exkommuniziert, von den Florentinern gehängt und verbrannt. Sokrates und Jesus, zwei der weisesten Gestalten des Abendlandes, haben zwar keine einzige Zeile geschrieben, aber umso tiefgründiger geredet. Dafür wurden sie auch zum Tode verurteilt, Sokrates musste den Schierlingsbecher austrinken, Christus starb den Kreuzestod.
Vor vierzig Jahren erklärte der 22-jährige Norbert C. Kaser in der so genannten Brixner Rede, Südtirols Literatur sei tot. Er feuerte Gleichgesinnte dazu an, ...
den Tiroler Adler wie einen Gigger zu rupfen und ihn schön langsam über dem Feuer zu drehen. Ein Sturm der Entrüstung brach los; unlängst zelebrierte man diese Provokation als Geburtsstunde der neuen Südtiroler Literatur.