Siezen oder duzen?
Im Winter 2010 von Dr. Luis Fuchs
Der Umgang mit den Mitmenschen fällt den Jugendlichen heute leicht: Offen und unvoreingenommen reden sie jedermann mit du an, unabhängig von Alter oder Stellung. Das englische you ist ja auch so praktisch und weltweit in jeder gesellschaftlichen Situation das alleinige Anredepronomen.
In ganz alten Zeiten sagte man im germanischen Sprachraum auch nur du. Vor etwas mehr als tausend Jahren begann man, Angehörige der höfischen Gesellschaft mit Ihr anzusprechen. Wie lange diese Anrede besonders im ländlichen Bereich beibehalten wurde, zeigt der Gebrauch des Ihr, also der 2. Person Mehrzahl, der älteren Generation gegenüber bis in das letzte Jahrhundert hinein. Als Kinder sprachen wir sogar noch unsere Eltern mit Eis, also Ihr an. Selbstverständlich kam auch in allen Schulstufen für unseren Umgang mit den Lehrpersonen nur ein Sie in Frage.
Von 1500 an wurde der Höherstehende mit er angeredet: „Höre er mir zu!“ Unter Adeligen und Bürgern von Stand kam im 17. Jh. die Anrede in der 3. Person Mehrzahl auf, unser heutiges Sie, und dabei ist es geblieben.
Infolge des gesellschaftlichen Wandels nach 1968 ist das Siezen in vielen Bereichen stark zurückgegangen. In Vereinen und Sportgruppen, auch unter Arbeitskollegen findet man heute schnell vom unpersönlichen Sie zum vertraulichen Du.