Der große Tag
Im Frühling 2012 von Verena Maria Hesse
Es gibt sie, diese Tage, an denen man einfach perfekt aussehen möchte.
Es kann der eigene Maturaball sein, das erste Date, die Sponsion, das erste Treffen mit der Schwiegermutter in spe oder die Oscarverleihung. Ihr alle wisst, was ich meine.
Dieser Tag, an dem man einfach nichts dem Zufall überlassen möchte, an dem man absolut unter keinen Umständen einen Bad Hair Day riskieren kann oder einen Pickel auf der Nase oder eine Fieberblase oder haarige Beine oder aufgeschwollene Augen oder zwei Kilos zu viel auf den Rippen. Diese Tage sind meistens planbar, all die Gefahren, die sie mit sich bringen, sind vorhersehbar und das Gesamtrisiko ist kalkulierbar – so denkt man wenigstens.
An solchen Tagen möchte man eine Frisur haben, die zwar gekonnt, aber nicht gekünstelt aussieht, man möchte einen ebenmäßigen Teint haben, man möchte in der T-Zone nicht glänzen und man möchte einen Porzellanschimmer im Gesicht, man hätte gern keinen abgebrochenen oder angebissenen Fingernagel und kein Ekzem auf dem Handrücken, keine Brandwunden am Unterarm und keine eingewachsenen Haare an den Waden. Man wünscht sich, keine Blasen an den Füßen zu haben, die einen davon abhalten, die eigens gekauften Pumps zu tragen.
Es kommt aber erstens anders und zweitens als man gedacht hat.
Die Haare werden ganz selbstverständlich nicht so sitzen, wie man es beim Probefrisieren getestet hat, man hat vielleicht sogar ein paar Schuppen, der Pickel, für den man gebetet hat, dass er bitte nicht justament dann sprießen würde, wenn der Tag kommt, ist in voller Blüte und die Fieberblase ist zwar abgeklungen und nicht mehr infektiös, aber man kann nicht lachen, weil immer, wenn man das macht, das vertrocknete, gerötete Etwas platzt und blutet.
Zu allem Überfluss und allem bereits Verbalisierten ist noch zu sagen, dass es einfach Tage gibt, an denen man scheiße aussieht - warum, weiß nur der liebe Gott.
Ich persönlich konnte an diesen Tagen auch noch keinen Zusammenhang mit meiner Lebensweise, meinem Zyklus und meinem Seelenzustand finden - einmal abgesehen davon, dass sich mein Seelenzustand immer ganz rapide verschlechtert, wenn ich einen dieser Tage habe.