Sollen
Im Frühling 2012 von Dr. Luis Fuchs
„Durnwalder soll bei den nächsten Landtagswahlen nicht mehr antreten.“ Ist dies eine Empfehlung an den Landeshauptmann, sich von der politischen Szene Südtirols zu verabschieden? Wohl eher ist der Zeitungsmeldung zu entnehmen, Durnwalder werde angeblich nicht mehr antreten. Vorsicht ist geboten, wenn wir uns des Modalverbs sollen bedienen: Es kann durchaus eine Aufforderung ausdrücken, es kann aber ebenso eine Nachricht oder eine fremde Behauptung beinhalten.
„Die Schützen sollen den Toponomastik-Entwurf der SVP ablehnen.“ Werden die Schützen zur Ablehnung aufgefordert oder wird darüber nur gemutmaßt? „Rentner soll Nachbarin terrorisieren.“ Dass er dies nicht soll, es aber dennoch tut, wie behauptet wird, dürfte einleuchten. „Anrainer sollen Autos beschädigen“, so lautete eine Schlagzeile im Lokalteil einer Zeitung. Man versteht ja, sie hatten keinen Auftrag hierzu.
„Der Kiwanis Club Meran soll 2013 das internationale Wintersportfest für Kinder und Jugendliche auf Meran 2000 organisieren.“ Wird der Kiwanis Club hiermit aufgefordert, die Organisation zu übernehmen oder aber hat er dies, wie zu erfahren war, beschlossen?
Das Verb sollen, von uns heute nur noch als Hilfszeitwort verwendet, bedeutete als skulan im Gotischen „schuldig sein, verpflichtet sein“. In der Kaufmannssprache bewahrte das Wort seine alte volle Bedeutung als „zur Zahlung verpflichtet sein, schulden“ bis Anfang des 19. Jahrhunderts. „Ich soll ihm zehn Taler“ bedeutete noch im 18. Jahrhundert: „Ich schulde ihm zehn Taler.“ In der Buchhaltung kennen wir die im Gegensatz zur „Habenseite“ stehende „Sollseite“; im Bankwesen reden wir auch von den „Sollzinsen“.
Am Sollen haben wir uns schon in unseren Jugendjahren auszurichten gelernt. „Du sollst ..., du sollst nicht …“ wurde uns in den Zehn Geboten eingeprägt. Das Sollen bleibt allerdings oft nur frommer Wunsch, wie uns der alte Spruch zu denken gibt:
Täten wir nur, was wir sollten,