Muay Thai und MMA in Südtirol
Im Winter 2013 von Daniel Pichler
Franz Gluderer, Jahrgang 1964, aus Meran ist der einzige in Südtirol tätige Lehrer, der Muay Thai (FIMT) und MMA unterrichtet. Seit 15 Jahren trainiert er einige motivierte Südtiroler in Meran und bringt sie auch auf Wettkampfniveau.
Meraner Stadtanzeiger: Warum Kampfsport?
Franz Gluderer: Warum nicht! Kampfsport ist eine Sportart wie jede andere, welche man sowohl auf Amateurebene als auch im Wettkampf ausüben kann. Kampfsport ist eine Herausforderung an sich selbst. Man ist gefordert, seinen Ängsten ins Auge zu sehen und sie zu konfrontieren. Im Kampfsport ist es immer der Kampf Mann gegen Mann bzw. Frau gegen Frau. Also hast du eine mentale und emotionale Überwindung zu meistern und du wirst selbstbewusster. Kampfsport ist älter als jede andere Sportart, die allgemein bekannt ist. Muay Thai hat eine Geschichte, die über 5000 Jahre alt ist. Auch die Geschichte von MMA (Mixed Martial Arts) beginnt bereits in der Zeit der Griechen und ihrer olympischen Ringkämpfe. Da können die heute populären Sportarten wie Fußball, Skifahren, Rodeln etc. an Geschichtsträchtigkeit nicht mithalten.
Meraner Stadtanzeiger: Wie kamst Du zum Kampfsport?
Franz Gluderer: Als Jugendlicher suchte ich eine Möglichkeit, meine Schüchternheit und meine Ängste in den Griff zu bekommen. Durch die Filme über Kampfsport und den bekannten Bruce Lee wusste ich, dass das der richtige Weg für mich ist. Aber erst später verstand ich, dass Film und reales Kampfsporttraining wenig miteinander zu tun haben. Als ich dann mit 14 Jahren mit Karate anfing, wurde mir klar, dass dieser Sport kein Zuckerschlecken ist. Disziplin, Ausdauer, Respekt, Durchhaltevermögen und Einordnung in eine Klasse war das Wichtigste, um die Anfänge zu bestehen und dir selbst zu beweisen, dass du imstande bist, etwas zu leisten, worauf DU Stolz sein kannst (nicht nur dein Lehrer und deine Klasse). Und körperliches Training bis zur Erschöpfung gehörte dazu. Grenzen überschreitendes Training ist der Weg zu innerer Meisterschaft, die, wenn du sie dann nach außen bringst, alle Hürden des Lebens leichter zu meistern vermag.
Meraner Stadtanzeiger: Also Kampfsport als Meditation und zur Selbstfindung?
Franz Gluderer: Sicher. Die Leistungen der Trainierenden werden durch die Meditation enorm verstärkt. Durch die Ruhe, die im Körper bewusster wahrgenommen wird, wird auch der Stressfaktor herabgesetzt und dadurch erzielt man bessere körperliche Leistungen. Selbstfindung ist eine logische Folge des körperlichen und geistigen Trainings.
Meraner Stadtanzeiger: Wie motivierst Du Dich?
Franz Gluderer: Etwas erreichen zu wollen, ist für mich Motivation genug, denn im Sport ist der Weg das Ziel. Geh nicht trainieren, wenn du nur saufen willst! Die Südtiroler sind bekannt, dass sie meistens nur eine Motivation haben: Feiern bis zum Umfallen! Feiern ist gut und auch wichtig! Aber wenn du kein wirkliches Ziel in deinem Leben hast, dann bist du nur eine Nummer in unserer Gesellschaft und das ist schade. Es gibt viele Talente bei uns. Die meisten vergeuden ihr Talent, weil sie niemanden haben, der sie motiviert und anspornt, ihr Leben zu leben und das zu tun, was sie lieben.
Meraner Stadtanzeiger: Wer ist in sportlicher Hinsicht ein Vorbild für Dich?
Franz Gluderer: Ich habe kein Vorbild mehr. Früher waren es einmal Bruce Lee und viele meiner Lehrer. Heutzutage bin ich begeistert von meinen Schülern und denen, die sich wirklich hingeben für diesen Sport und sich quälen und mir dadurch zeigen, dass sie etwas erreichen wollen und es dann auch schaffen. Das begeistert mich.
Meraner Stadtanzeiger: Wofür steht MMA?
Franz Gluderer: MMA ist die Abkürzung für „Mixed Martial Arts“ (gemischte Kampfkünste). MMA ist der neueste Trend in Sachen Kampfsport und begeistert die ganze Welt. Weltweit bieten die Kampfsportschulen MMA als Kurs an. Auch durch die Vermarktung in Filmen ist diese Sportart nicht mehr wegzudenken. MMA ist hervorragend geeignet, um Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Flexibilität und Koordination zu fördern. Es ist eine gute Wahl, um sich mit verschiedenen Techniken der Kampfkunst auseinanderzusetzen und natürlich auch zur Selbstverteidigung geeignet. Selbstverständlich kann man MMA auch als Wettkampfdisziplin betreiben, muss es aber nicht.
Meraner Stadtanzeiger: Was ist Muay Thai überhaupt?
Franz Gluderer: Muay Thai ist die Königin unter den Ringsportarten! Sie ist die schnellste, härteste und beste Kampfsportart überhaupt und wird auch als „Die Kunst der 8 Gliedmaßen“ bezeichnet. Muay Thai ist der älteste Kampfsport mit einer Geschichte von ca. 5.000 Jahren. In Thailand ist sie Kultur, Religion, Arbeit und Freizeit zugleich. Die dort wöchentlich stattfindenden Wettkämpfe begeistern Thailand und auch den Rest der an Kampfsport interessierten Welt. Die Sportverbände verschiedener Länder arbeiten derzeit zusammen an dem Ziel, Muay Thai als olympische Disziplin zu etablieren. Spätestens dann wird diese Sportart bekannter werden.
Durch den intensiven Trainingseinsatz sind die Thaiboxer sehr gute Athleten, die Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit haben und das auch in den spannenden Ringkämpfen zeigen können. „Die Kunst der 8 Gliedmaßen“ ist eine der besten Selbstverteidigungsarten, vor allem durch ihre reale Technikarbeit.
Meraner Stadtanzeiger: Für wen und für welches Alter ist Kampfsport im Allgemeinen bzw. Muay Thai und MMA im Speziellen geeignet?
Franz Gluderer: Alle beiden Sportarten können Frauen und Männer ohne Probleme betreiben! Die Unterscheidung liegt hier eigentlich nur darin, dass Muay Thai ein reiner Standkampf ist, während MMA Stand- und Bodentechniken aufweist. Ab sieben Jahren kann man alle beide Sportarten trainieren. In meiner Schule trainieren auch Athleten beider Geschlechter, die bereits 40 Jahre überschritten haben.
Meraner Stadtanzeiger: Muay Thai hat ja ein gewisses „Hau-drauf-Image“ – wird man beim Training also regelmäßig verprügelt?
Franz Gluderer: Nun ja – es gibt viele Vorurteile und viele schwarze Schafe in allen Bereichen des Lebens. Das Blöde im Kampfsport ist eben, dass die Leute in Südtirol glauben, alle Kampfsportler seien von Haus aus Schläger ... und nur die Schläger würden Kampfsport betreiben. Trotz dieser Einstellung bringen viele Menschen ihre Kinder zum Training in die Kampfsporthallen. Sie sollten alle mal bei einem Training zuschauen oder besser noch mitmachen, dann würden sie verstehen, welche Anforderungen an die Athleten gestellt werden. Da ist „nix“ mit „Ich hau dir mal auf die Schnauze, um zu sehen, ob du was aushältst.“ Aufwärmen, Standschulung, Technikschulung, Schlagpolster, Intervalltraining und zum Abschluss ca. 150 Liegestützen ist ein normaler Durchgang bei so einem Training! Leute, probiert mal 150 Liegestützen ohne Unterbrechung! Würde ich in meinem Studio die Leute „verprügeln“, wäre ich ein inkompetenter Trainer. Die Leute müssen aufgebaut und nicht verscheucht werden. Um im Ring seine/n Mann/Frau zu stehen, braucht es mehr als die meisten Leute glauben. Haltet euch fern von Hallen, in denen die Leute verprügelt werden, die sind nicht seriös! Kampfsport für den Wettkampf ist eine anspruchsvolle Arbeit und ist mit täglichem Training verbunden. Ohne Schweiß kein Preis! Und um bei den Profis durchhalten zu können, trainiert man zweimal täglich bis zu drei Stunden, fünfmal die Woche! Probiert mal jeden Tag 150 Liegestützen ohne Pause zu machen und das fünfmal die Woche! Dann habt ihr auch keine Lust mehr, jemanden zu verprügeln.
Meraner Stadtanzeiger: Wie hoch ist die Verletzungsgefahr im Vergleich zu anderen Sportarten, z.B. dem Skifahren?
Franz Gluderer: Wenn man die Daten der Unfallchirurgie und Sporttraumatologie zugrundelegt, schneidet Fußball am schlechtesten ab, gefolgt von Radfahren und Volleyball. Schwere Verletzungen treten beim Kampfsport sogar seltener als beim Laufen auf.
Fußball 46,5%