Nach den Wahlen ist vor den Wahlen
Die Parlamentswahl ist geschlagen – mit Siegern und Verlierern. Zu Letzteren zählt vor allem Italien selbst. Und auch die Meinungsforschung, die ziemlich daneben gelegen hat. Das Mitte-links-Bündnis von Pier Luigi Bersani hat zwar gewonnen, ist aber weit unter den Erwartungen geblieben. Die wahren Sieger sind die Fünf-Sterne-Bewegung um den Komiker Beppe Grillo, welche Proteststimmen von rund einem Viertel der Italiener auf sich vereinen konnte – und der „Cavaliere“: Silvio Berlusconi ist es mit seinem Mitte-rechts-Bündnis wieder einmal gelungen, im richtigen Moment zu punkten. Große Verliererin ist die Liste des Reformers Mario Monti. In Südtirol gab es einen großen Sieger (SVP) und einen kleinen Sieger (Freiheitliche). Nachstehend einige Gedanken und Fakten zur Wahl – auch mit einem Blick auf die politische Situation in Meran.
Die Situation in Italien scheint aussichtslos. Doch schon oft schien das Land nach Wahlen unregierbar. Nach dem Urnengang vom 24. und 25. Februar ergibt sich ein Bild, das eigentlich schon vorher absehbar war: Wie in anderen Ländern gibt es mehrere politische Blöcke. Nur keiner dieser kann mit dem anderen. Und die Fünf-Sterne-Bewegung will sowieso mit niemandem. Man kommt aufgrund grundsätzlicher politischer Positionen nicht zusammen. Oder einfach infolge der Angst, es sich mit den eigenen Wählern zu verscherzen. Denn: Nach der Wahl ist auch schon wieder vor der Wahl. Trotzdem wird man sich irgendwie zusammenraufen, um „Verantwortung“ zu übernehmen – wissend, dass Neuwahlen das Wutbürgertum nur noch vergrößern würden. Große Schritte wird die neue Regierung aber sicher nicht tun; auch wenn diese dringend nötig wären: Italien gilt als Euro-Krisenland, hat eine hohe Verschuldung, steckt in einer tiefen Rezession und leidet an einer steigenden Jugendarbeitslosigkeit. Vom allgemeinen Werteverfall – und den fehlenden Investitionen in Soziales, Kultur und Bildung – ganz zu schweigen.
Nicht geglaubter Erfolg der SVP-Landespartei
In Südtirol darf sich die Volkspartei großer Sieger nennen: Die Strategie und auch das Bündnis mit dem Mitte-links-Block, vorgegeben vom „heimlichen Parteiobmann“ Karl Zeller (so wurde er nach der Wahl in einem Kommentar von „Dolomiten“-Chefredakteur Toni Ebner genannt), ist mehr als aufgegangen. Er selbst, Hans Berger und PD-Kandidat Franceso Palermo wurden in den jeweiligen Wahlkreisen unangefochten in den Senat gewählt. Die neuen Kammerabgeordneten heißen Albrecht Plangger, Renate Gebhard, Daniel Alfreider, Mauro Ottobre (vom Bündnispartner PATT) und Manfred Schullian. In der SVP-Zentrale selbst ging man eigentlich davon aus, das Quorum für die Abgeordnetenkammer nicht zu erreichen. Das hätte bedeutet, leer auszugehen. In einer Zeit, in der sich ein Skandal an den anderen reiht, wäre dies nicht weiter verwunderlich gewesen. Der zurückhaltende Wahlkampf, die neuen Kandidaten und vor allem die Kernbotschaft „Entweder wir – ansonsten niemand für Südtirol in Rom“ kam aber beim Wähler an. Der Mehrheitsbonus sorgte schließlich für zwei zusätzliche Gewählte der Listenverbindung.
Verschwiegen werden darf nicht, dass mit dem politischen Quereinsteiger Florian Kronbichler (Grüne) ein weiterer deutschsprachiger Südtiroler unerwartet in die Abgeordnetenkammer gewählt wurde. Trotz prominenter Kandidaten – Cristina Kury und Michil Costa – haben die Grünen ansonsten vom Ergebnis her recht dürftig abgeschnitten. Als „zweiter Sieger“ dieser Parlamentswahl in Südtirol dürfen sich aber die Freiheitlichen fühlen, wenn es auch zu keinen Sitzen in Rom gereicht hat. Sie haben das „Volk der Freiheiten“ von Silvio Berlusconi (und Lokalmatadorin Michaela Biancofiore) sowie die Demokratische Partei von Pier Luigi Bersani (mit Luisa Gnecchi) hinter sich gelassen – und auch die Südtiroler Grünen. Die zweite Kraft im Land kam bei der Kammerwahl auf 15,9 Prozent (47.634 Stimmen) – die SVP lag bei 44,2 Prozent (132.154 Stimmen). Ein noch besseres Abschneiden in den Senatswahlkreisen Brixen-Pustertal (21,1 Prozent) und Meran-Vinschgau (17,6 Prozent): Dies obwohl es den meisten ihrer Wähler wohl doch bewusst war, dass die abgegebene Stimme nicht wirklich einem freiheitlichen Kandidaten nach Rom verhelfen wird.