Die Selbstkrönung
Im Winter 2014 von Gudrun Esser
Das sechste Messner Mountain Museum „Corones“ soll einzigartige Aus- und Einblicke bieten. Auf das Weltnaturerbe und in die Welt des Reinhold Messner. Seine Entstehung spielt dabei keine unerhebliche Rolle.
Reinhold Messner steht auf dem Podest der Stahltreppe. Er steht dort oben wie einst Herrscher auf ihren Balkonen, wenn sie zu ihrem Volk sprachen. Die Mähne des fast 70-Jährigen ist gestutzt, sein bärtiges Gesicht sonnengegerbt. Trekkingschuhe, Jeans, das dunkle Hemd ist leicht geöffnet, seine Halskette ist vom Hof aus zu erkennen. Er habe zuerst einen Interviewtermin mit deutschen Medien, ich müsse warten. Ich widerspreche ihm, obwohl er das weder schätzt noch gewohnt ist, und verweise auf seine Sekretärin. Er glaubt mir nicht, erkundigt sich seinerseits und steigt schließlich zu mir hinab. Der Mann ist stur!
Messner ist Alleingänger und doch Netzwerker par excellence. Er bestieg als erster Mensch den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät und alle vierzehn Achttausender; durchquerte Wüsten und wanderte zum Nordpol. Mit dem gleichen Unternehmergeist ist er heute Kulturschaffender. Gerade entsteht sein sechstes Bergmuseum, das MMM Corones. Mitten in Südtirols prominentestem Skigebiet, dem Kronplatz. Hier will er „die großen Wände“ thematisieren. Königsdisziplin des traditionellen Alpinismus und Krönung seiner Museumsprojekte erklärt Messner, daher rühre auch der Name. Diese Krönung drohte zu scheitern. Unmittelbar vor Baubeginn im vergangenen Sommer legte ein namhafter Immobilienmakler Rekurs ein. Seine Immobiliengesellschaft bemüht sich vor allem um russische Interessenten. Er besitzt alpines Grün neben dem Museumsareal, bewirtschaftet aber weder die Wiese noch die Hütte darauf. Mancher unterstellt ihm daher spekulatives Interesse. Er ließ zwei Verwaltungsakte vor dem Bozner Verwaltungsgericht anfechten: den Beschluss der Landesregierung, den Berggipfel des Kronplatzes von alpinem Grün in eine Zone für öffentliche Einrichtungen umzuwidmen und die Genehmigung, die die zuständige Gemeinde St. Vigil für den Museumsbau erteilte. Er ist der Ansicht, dass die Umweltauswirkungen gewaltig sind. Weder Land noch Gemeinde hätten das Projekt gemäß der gesetzlichen Sonderkriterien für ein Projekt über 1.600 m Meereshöhe überprüft.
Reinhold Messner polarisiert
Als er 1970 von seiner Nanga-Parbat-Expedition ohne seinen Bruder Günther zurückkehrte, schien ihm das Südtirol lange nachzutragen. Er hatte den höhenkranken Bruder zurückgelassen, bezwang den Abstieg alleine, Günther starb. Die Seilschaft und Reinhold Messner lieferten sich einen jahrelangen Rechtsstreit darüber, wessen Schilderung des Unglückshergangs der Wahrheit entsprach. Mitte der 80er-Jahre mischt sich Messner in die Lokalpolitik ein und scheint damit seine Heimat regelrecht provozieren zu wollen. Die absolute Mehrheit wählte damals die Volkspartei und kämpfte um das traditionelle Südtirol. Messner aber unterstützte die umstrittenste politische Figur: Alexander Langer, von der „Alternative Liste für ein anderes Südtirol“ und späterer grüner Europaparlamentarier. 1999 zog Messner selbst für die Grünen in das Europaparlament. In Talkshows referierte er mit gleichem Missionsgeist über Politik, Umweltschutz und nachhaltigen Bergtourismus wie zuvor über die Berge. Die deutsche Nationalmannschaft scharte er während ihres Trainingslagers in Südtirol wie Jünger um sich und gab Tipps für die Fußball-WM. Der deutschen Kanzlerin wollte er während ihres Besuches in Sulden 2009 die Koalition mit den Grünen anraten. Als er sich vergangenen Sommer für den Ausbau des Münchner Flughafens aussprach, wurde er öffentlich für seine „ungrüne“ Position kritisiert. Messner hat kein Problem mit Kritik. Er wandelt sie um. Bestes Beispiel für sein Eigenmarketing: Nachdem 2005 die sterblichen Überreste seines Bruders gefunden wurden, inszenierte er vor laufenden Kameras eine tibetische Beerdigung. Er ließ die Überreste Günthers am Fuße des Nanga Parbat verbrennen.