Schein oder Sein?
Im Herbst 2014 von Robert Prenner
Heilige, deren Fest wir am 1. November feiern, scheinen immer mehr an Strahlkraft zu verlieren. Oft stellt man sich Heilige als religiöse Spezialisten vor, als Wundertäter oder gar als Übermenschen, die wenig mit unserem Alltag zu tun haben. Die Heiligen scheinen heute von den Stars und Sternchen verdrängt zu werden; diesen gilt weitgehend das öffentliche Interesse. Dabei zeigt sich aber, dass Stars der Gegenwart gerne auf Symbole und Zeichen zurückgreifen, die untrennbar mit dem Leben der Heiligen verbunden sind. Hat also der moderne Starkult die Heiligenverehrung abgelöst? Ob in Film, Fernsehen oder auf dem Fußballplatz, Stars und Idole sind immer mehr zu einem Massenphänomen der Unterhaltungsindustrie geworden.
Diese Leitbilder nehmen zunehmend religiöse Formen an. Die Besucherinnen und Besucher eines Rockkonzertes können von ihrem Star in Ergriffenheit und Begeisterung versetzt werden und Erfahrungen machen, die deutliche Parallelen zum religiösen Erleben aufweisen. Stars werden oft als „Idole“ bezeichnet. Im Lexikon findet man unter diesem Begriff die Bedeutung „Götzenbild" und „Abgott“. „Seinen“ Star als Idol zu bezeichnen, trifft den Sachverhalt gut: Denn man macht bei der Starliebe im Grunde nichts anderes, als aus dem Star einen Abgott zu schaffen. Dabei sind die Gemeinsamkeiten zwischen Formen des Starkults und der Heiligenverehrung erstaunlich: So entwickelt sich auch um die Stars ein reger Wallfahrtsbetrieb, für persönliche Gegenstände der Idole, und sei es auch nur ein verschwitztes Hemd, werden horrende Preise gezahlt, wie früher für die Reliquien von Heiligen. Auch erhalten Kinder oft nicht mehr die Namen von Heiligen, sondern von Stars.
Das, was den Star anziehend macht, sind aber nicht Entsagung, Selbstaufopferung oder Selbstlosigkeit, sondern die Selbstdarbietung. Heilige dagegen sind Menschen des Alltags. Das Wort „heilig“ kommt von heilen, heil sein. Heilig sein bedeutet deshalb ein Zweifaches: Heil erfahren haben und dieses Heil an andere weitergeben. Heil werden können wir, wenn wir uns Jesus Christus zum Vorbild nehmen und begreifen, dass Gier, Gewalt und Egoismus die Welt nicht heilen und uns selbst auch nicht glücklich machen. Heilige sind Menschen, die darauf vertrauen, dass mit dem Tod nicht „alles aus ist“, sondern das Leben erst beginnt.
Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass bei einer Umfrage von Jugendlichen zwischen 19 und 27 Jahren als Vorbild auf dem ersten Platz „meine Mutter“ genannt wird. Eine Person aus dem Nahbereich, zum Nachahmen und Abgrenzen, mit Tugenden und Fehlern. So wie es einen Hunger nach Sinn gibt, so gibt es einen Hunger