Kunst verstehen ist auch eine Kunst
Im Herbst 2015 von Dr. Luis Fuchs
Eine Ansammlung von leeren Sektflaschen, Gläsern und Dekorationsartikeln war in den Augen der beflissenen Raumpflegerin des Bozner Museions kein Kunstwerk. Kurzerhand verräumte sie die „Trümmer des Schlaraffenlands“, so die Bezeichnung der Kunstinstallation, in den Müll.
„Soll das Kunst sein? So was kann ich auch!“ Äußerungen wie diese geben Besucher von Ausstellungen zeitgenössischer Kunstwerke mitunter von sich. Kunst kommt von können und können kann noch lange nicht jeder. Wer etwas kann, bringt etwas zustande, weil er die Sache beherrscht. Dem widersprach einst der Komiker Nestroy: „Kunst ist, was man nicht kann. Denn wenn man's kann, ist's keine Kunst mehr.“
„Können“ bedeutete ursprünglich „kennen“, auch „wissen“ und „verstehen“. Kunst hatte weniger mit „Kunstfertigkeit“ als vielmehr mit „Erkenntnis des Verstandes“ zu tun. Bis weit ins achtzehnte Jahrhundert verstand man unter „Kunst“ einfach nur „Wissenschaft“. So bezeichnete der Sprachwissenschaftler Justus Georg Schottel (1602-1676) die Grammatik als „Sprachkunst“, Rhetorik war die „Redekunst“, Geometrie die „Messkunst“, Logik die „Beweiskunst“ und „Zergliederkunst“ stand für Anatomie.
Später mit dem Aufkommen industrieller Produktionsverfahren wird „Kunst“ im Gegensatz zu „Natur“ verstanden. So wurden in der Landwirtschaft die Erträge durch „Kunstdünger“ gesteigert, die Textilbranche mit „Kunstseide“ und „Kunstleder“ bereichert und Kraftfahrzeuge bestehen heute durchschnittlich zu 15 % aus „Kunststoffen“.