Flurnamen - Quellen historischer Forschung
Teil 10 - Obermais
Im Frühling 2010 von Dr. Johannes Ortner
Die Bedeutung der Namen der Höfe und Fluren ist eine der wichtigsten Quellen historischer Forschung eines Landstrichs. Außerdem stellt die Pflege und Weitergabe des Namenguts für eine Gemeinschaft einen bedeutenden, die Identität stiftenden Faktor dar.
Als Quelle dienen die in mündlichen Gesprächen abgefragten Namen (Flurnamensammlung Südtirol, die am Landesarchiv in Bozen einsehbar ist), das Werk „Die Hofnamen im Burggrafenamt und in den angrenzenden Gebieten“ des verdienten Hofnamenforschers Josef Tarneller, sowie das Tiroler Ortsnamenbuch von Karl Finsterwalder (als Schlern-Schriften in drei Bänden erschienen).
Abkürzung:
mda. (= mundartlich)
- Prader (Prader): Die 1886 errichtete Villa Praderhof zwischen Kastanienweg und Ifingerstraße – dessen südlicher Teil früher Pradergasse hieß – geht auf einen früheren Praderhof zurück. Die Belege lauten: 1329 Hainr. von Prade, 1490 Lienhart in Prad, 1493 Bratguet, 1531 Pradtgüetl, 1619 Hans Hueber Prader zu O.Mais. Wie beim Ortsnamen Prad und dem Familiennamen Prader (Praderplatz!) geht die Bezeichnung auf ein rom. *prada ‘Wiesen’ zurück.
- Von der Kreuzung an der Rametzbrücke zweigt der kleine Kastanienweg ab (früher Klementgasse nach dem gleichnamigen Hof genannt). An seinem Rand verläuft, teilweise noch offen und mit einer hörbaren Waalschelle versehen, der sogenannte Kriegwol (Kriegwaal). Dabei ist wohl nicht an einen „Krieg ums Wasser“ zu denken, sondern an das Überwasser, das er vom Naifbach bzw. einer kleineren Quelle krieg („kriegt“). Ein bekannterer „Kriegwaal“ verläuft zwischen Burgeis und Mals.
- Ein interessanter Flur- und Hofname im Burggrafenamt und eben auch in Obermais ist Pröfing bzw. Pröfinger. Den Obermaiser Hof am Obermaiser Neuwaal gibt es nicht mehr, an seiner Stelle stehen mehrere Kondominien. Geblieben ist jedoch der Straßenname Pröfingergasse. Der Hof muss bedeutend gewesen sein: im Meinhardinischen Urbar 1285 wart ein Hof in der Pröui gechauffet von Fridr. dem Tarande (= Herren von Tarantsberg) um 100 Mark, 1348 praes. Hainzlino de Provie fil. quond. Berhtoldi antiqui Purchgrauii ( = des alten Burggrafen) de Obermais, 1354 (...) Hainr. de Prouie de Mais, 1399 hof in Prouie, 1470 Hainrich in Pröphye, im Pröfing, 1493 Jorg Mayr in Proui, 1531 Balthasar Prüfinger.
- Den gleichlautenden Hofnamen gibt es auch in Partschins (1357 praes. Hermanno villico ze Prouie plebis Parschins) und in Tisens (1319 praes. Walthero d. Heller ab Proeui).
- Das Wort Pröfing ist als Lehnwort aus dem lateinischen propago ‘Setzling, Ableger’ ins Althochdeutsche phrofa gekommen, dort entwickelte es sich zum Standardwort pfropfen, wo der Tiroler Dialekt aber pelzn sagt. Die Bedeutung des althochdeutschen phrofa muss sich erweitert haben zu „Pflanzung, Neuanlage“ (vgl. die häufigen Flurnamen Pflanzer – etwa in Schenna – oder rom. eben plantitsja > Plantitsch).
- Abend (Abend, Abendbauer): Zwischen dem Pröfinger und dem Schloss Planta (Greifen) an der Kreuzung zwischen dem Obermaiser Neuwaal und dem Montaniweg (früher Neuhäuslgasse, Abendheimweg bzw. Naif-Promenade) befand sich der Hof Abendbauer, der 1850 vom Innsbrucker Universitätsprofessor Anton von Atzwang in die Villa Abendheim umgebaut wurde (Meraner Villen-Inventar von Anna Pixner Pertoll). Ursprünglich Flurname: 1684 Wisen der Abend, 1779 Abendbaur. Handelte es sich um ursprüngliche Abendweidegebiete? Die Almwiesen im Obervinschgau werden heute noch Tschanónt (aus rom. cenantia ‘Abendweide’) genannt.
- di Nuihaisl-Granz (Neuhäusl-Granz): Es handelt sich um das Parkgelände des Schildhofs unterhalb vom Oberhasler. Der Name rührt wohl von der Grenzlage des ehemaligen Grundstücks des Hofs Neuhäusl zur Gemeinde Schenna her.
- di Saizn-Täng (die Seizen-Teng): Wiese beim Hof Seiz. Unklar ob in Zusammenhang mit dem Tängeln der Sense oder dem mda. tengg ‘links’.
- Rohrach: Der Hof Seiz ist urkundlich bereits im Meinhardinischen Urbar 1285 als de bonis dicti Rorer belegt. Jüngere Belege lauten: 1418 bonum in Rorach, 1684 Rorach in Haslach ein Söltgüetl, 1779 (Maria-Theresianisches Steuerkastaster) Rohrer oder Seizenguot. Ein Rohrach bezeichnet eine Stelle, wo Schilfrohr vorkommt. Vgl. dazu die romanische Entsprechung cannÄ“du > eingedeutscht zu Gneid (Weingüter in der Gemeinde Tirol).
- HÅslåch (Haslach): Eine größere Flurgegend in Obermais an der Gemeindegrenze zu Schenna – außerdem zwei Hofnamen (Unterhasler in Obermais und Oberhasler in Schenna). Haslach wird von der gedachten Linie Tannhart/Seiz, Planta, Waidmann, Stifter, Hendler, Haslerkurve (Schenna) und wieder Tannhart/Seiz eingenommen. Wie bei den Namen Rohrach, Erlach, Badleit (Birken), Dornach und Hagnach (Hagen) haben wir es hier mit einem Namen (immer mit dem Mengensuffix „-ach“) zu tun, der auf den ursprünglichen Bewuchs vor der Urbarmachung des Landes hinweist. In diesem Falle sind es die Haseln (Corylus avellana). Geschichtliche Belege lauten: 1277 in Haselach, 1362 praes. Hainrico villico im Haslach de O. Mais, 1381 (...) in dem Haslach, 1424 der Hosel von O.Mais.
- Haslach ist häufig Flurnamen: in Schenna hinterm Pichler (Talstation Seilbahn Taser), in Tirol (Gegend der Talstation der Seilbahn Hochmut), in Bozen ein Stadtteil orografisch links vom Eisack.
- Guldegger Påch (Guldegger Bach): Es handelt sich um das Bächlein, das südlich des Schenner Freibads (Mitterplatte) die Lazag durchrinnt und somit Anteil am Meraner (Obermaiser) Gemeindegebiet hat. Der Name rührt von einem ehemaligen Gut namens Guldegg beim Oberhasler her.
- In Schenna im Bereich des Hotels Schwefelbad hört das Bächlein auf den „sprechenden“ – pardon – „riechenden“ Namen Stinkbrunn. Bei regnerischem Wetter hängt immer noch ein schwacher Schwefelgeruch in der Luft.
- Peckschtuen (Bäckstein): Der Name des Hofs in der Lazag an der Schenner Gemeindegrenze geht vielleicht auf einen Flurnamen zurück: 1390 akker genant in Pechstain, leit in Lutzag under dem Pechstein. Allerdings ist die Nennung als Hof noch länger belegt: 1277 hof Pechstain, 1373 curia superior sita ze Pechstain. War ein pechschwarzer Stein Ausgangspunkt der Bezeichnung und wurde erst im 16. Jh. ein „Bäck“ (Bäcker) eingeblendet?
- Laiter (Bairleiter, Unterleiter oder Sonnwendhof): Der Hof steht genau auf der Gemeindegrenze zu Schenna, wird aber noch zu Obermais gerechnet. Gemeinsam mit dem benachbarten Außerleiter bzw. „Dorner-Leiter“ (Schenna) und dem ebenfalls in Schenna liegenden Hof „Innerleiter“ beziehen sich die Hofnamen auf die steilen Weinleiten unterhalb der „Mitterplatte“ (= Freibad Schenna).