Interview mit Altbürgermeister Franz Alber
Im Winter 2011 von Gudrun Esser
Hat sich die Stadt mit dem zweiten Jahrtausend derart verändert? Hat sich die Politik in Europa geändert und ist Meran und was sich innerhalb der SVP abspielt, nur ein kleines Abbild dessen, was auch andernorts geschieht? Wie betrachtet ein beschlagener Politiker die Szene? Franz Alber, 15 Jahre lang Bürgermeister, genießt sein Rentnerleben, vermeidet tunlichst sich einzumischen, beobachtet aber genau und darum besorgt die derzeitige Entwicklung in Meran:
Meraner Stadtanzeiger: Herr Alber, haben sich die „politischen“ Zeiten im Jahr 2000 eklatant geändert?
Altbürgermeister Franz Alber: Die politischen Zeiten haben sich nicht nur in Meran stark verändert. Aber, ich muss aufpassen, denn vielleicht bin ich schon zu alt, um manches noch beurteilen zu können. Denn mir kommt vor, ich rede jetzt von einer ganz anderen Zeit, als ich sie gewohnt war. Ich war bis 2005 Bürgermeister, politisch aktiv. Es war nie leicht. Aber es waren andere Schwierigkeiten. Jetzt laufen Diskussionen und man streitet über Dinge, die uns damals gar nicht interessiert haben. Bei uns wurde darüber diskutiert, wo wir das bisschen Geld, das wir hatten, zuerst einsetzen sollen. Davon hör ich derzeit nichts mehr. Jetzt redet man von der einen Gruppierung und der anderen. Es ist entschieden anders geworden. Aber dies geschieht, wie gesagt, nicht nur in Meran, sondern auch auf Landes-, Staats-, ja ich muss sagen Weltebene.
„Die politischen Zeiten haben sich nicht nur in Meran stark verändert.“
Franz Alber
Stadtanzeiger: Ist die Politik inzwischen eher ein Spiel von Einzeldarstellern geworden, statt im Team ein gemeinsames Ziel zu verfolgen?
Franz Alber: Sicher stehen heute einzelne Personen stärker im Vordergrund. Das mag daran liegen, dass diese Personen gewählt werden und Wahlen sind immer sehr emotional, also nicht nur vom Verstand geprägt. Aber damals waren es auch schon Persönlichkeiten, die etwas weitergebracht haben oder nicht. Diese Persönlichkeiten standen im Vordergrund und waren imstande, die anderen mitzuziehen, bei Entscheidungen, deren Umsetzung usw. Was mir heute überhaupt abgeht, ist, dass zu wenig von der Relevanz der Entscheidungen für die Stadt, das Land und die Bürger, die dort leben, gesprochen wird. Vielmehr scheint es darum zu gehen, wer was gewollt hat oder nicht. Oder wer weswegen gegangen ist. Das war - wenigstens in den 80er-Jahren - ein bissl anders: Wir haben uns gestritten! Beim Erstellen des Haushalts, wegen der Frage, wie das Geld eingesetzt wird, über die Prioritäten, die man setzen will. Wenn die Posten aber mal besetzt waren, sind Personaldiskussionen an sich selten wieder aufgetaucht. Da hätte einer schon ganz viel Blödsinn bauen müssen.
„Was mir heute abgeht, ist, dass zu wenig von der Relevanz der Entscheidungen für die Stadt, das Land und die Bürger, die dort leben, gesprochen wird.“
Franz Alber
Stadtanzeiger: Natürlich ist das eine Entwicklung, die durch Marketing-Experten vorangetrieben wurde. Nach dem Prinzip des amerikanischen Wahlkampfes, dass nämlich Menschen, „Personalities“, im Wahlkampf vermarktet werden. Agenturen werden eingeschaltet, diese Kandidaten entsprechend in Szene gesetzt, „verkauft“. Und ein weiterer Aspekt ist, die in rasanter Geschwindigkeit arbeitende und schnelllebige Medienwelt. Könnten diese Dinge auch erheblichen Einfluss genommen haben?
Franz Alber: Ich habe lange in meiner politischen Karriere nicht gewusst, was richtige Vermarktung heißt. Heute läuft das eben so, das wissen wir. Und natürlich sind die Möglichkeiten der Kommunikation vielseitiger geworden. Wobei ich nicht weiß, ob Internet, Facebook und all diese Wege bei Wahlen bereits diese große Rolle spielen. Andernorts mag das bereits zutreffen. Aber ich denke, bei uns sind immer noch Zeitungen, Radio und Fernsehen die entscheidenden Faktoren. Meiner Ansicht nach vor allem das Fernsehen. Ich habe das immer wieder - auch später - erlebt, dass ich darauf angesprochen wurde, wenn mich jemand im Fernsehen gesehen hatte. Das war entscheidend. Aber man muss heute mit diesen neuen Kanälen rechnen. Ob das aber der richtige Weg ist, die Vermarktung? Dass man auch künftig besser auf Fähigkeiten eines politischen Vertreters, seine Werte und Ziele achten sollte, wird wohl ein frommer Wunsch bleiben. Ich hoffe, dass wir nie so weit kommen, wie in Amerika, wo die Geldgeber letztlich die Wahlen entscheiden. Weil sie den Wahlkampf entsprechend unterstützen können, damit ein Kandidat gewinnt.
„Dass man auch künftig besser auf Fähigkeiten eines politischen Vertreters, seine Werte und Ziele achten sollte, wird wohl ein frommer Wunsch bleiben.“
Franz Alber