Interview mit Karin Fischer Ausserer, Leiterin der Stadtarchäologie Wien
Im Frühling 2011 von Gudrun Esser
Karin Fischer Ausserer, Sie sind Meranerin und auch ein bisschen Haflingerin und leben heute in Wien. Erzählen Sie bitte von Ihrem bisherigen Leben.
Karin Fischer Ausserer: Ich wurde 1963 in Tscherms geboren, verbrachte die ersten Lebensjahre – die schönste Zeit meines Lebens, denn es war Freiheit pur - in Hafling, kam dann mit acht Jahren nach Meran und besuchte hier die Volksschule, die Mittelschule und auf Wunsch des Vaters die Handelsoberschule. Bereits mit acht/neun Jahren entstand mein Entschluss, Archäologie zu studieren, denn die griechischen und römischen Sagen und die Geschichten um die Helden der Antike und die mächtigen Götter weckten meine Begeisterung. Mein Vater konnte sich aber mit der Vorstellung, dass seine Tochter irgendwo auf der Erde kniet und irgendetwas ausbuddelt, was niemand braucht, nicht anfreunden und gab deshalb den strengen väterlichen Rat, eine Schule zu besuchen und dann in der Bank zu arbeiten. Folgsam, wie ich war, besuchte ich drei Jahre die genannte Schule, bis ich erkannte, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich überzeugte meine Eltern davon, wechselte dann in die 3. Klasse des humanistischen Lyzeums Beda Weber und legte dort die Matura ab. Zusammen mit meinem jetzigen Mann, den ich im Lyzeum kennenlernte, ging ich danach zum Studium nach Wien. Nach dem Studium, dem Abschluss und fünf Jahren in einem medizinischen Kongressbüro landete ich wieder bei der klassischen Archäologie, nämlich bei der Stadtarchäologie. Schließlich erfüllte sich ein Traum, dessen Erfüllung ich nie für möglich gehalten hätte, nämlich, dass ich die Leiterin der Stadtarchäologie wurde. Jetzt kann ich mir eigentlich nichts Schöneres vorstellen.
Sie kommen aus einer Region, die auch archäologisch viel zu bieten hat. War es neben dem Geschichtsunterricht auch ein bisschen das heimatliche Ambiente mit all der Geschichte, die uns hier in Meran umgibt, das Sie zur Archäologie geführt hat?
Karin Fischer Ausserer: Ja, sicher. Wenn man sich Meran ansieht, von den Stadttoren bis zu den mittelalterlichen Gassen und den Lauben, hat die Stadt für mich ein Flair, bei dem das Alte ein bisschen in der Luft hängt. Doch auch das Stöbern am Dachboden des Bauernhofes meines Vaters, wo die Schätze nur so herumlagen, hat mir immer schon gefallen. Das hat alles dazu beigetragen, dass mich die Archäologie so sehr faszinierte.
Sie sind also von Beruf Schatzsucherin und suchen zurzeit nach alten Schätzen in Wien. Was ist konkret Ihr Aufgabenbereich?
Karin Fischer Ausserer: Die Stadtarchäologie ist ein sehr spannendes Ambiente. Ich habe 32 Mitarbeiter/-innen, die sich aus verschiedenen Spezialistinnen und Spezialisten zusammensetzen und unsere Hauptaufgabe ist die Erforschung Wiens, allerdings immer nur dann, wenn sich der Boden durch ein Bauvorhaben öffnet. Dann nämlich geraten die Bodenschätze in Gefahr und das Denkmalschutzgesetz sieht vor, dass diese Schätze vor der Zerstörung gerettet werden. Dann marschieren die Archäologen auf. Da sieht es dann in der Baugrube so aus, dass in einer Ecke die Bagger wüten und in der anderen Ecke knien die Archäologen mit ihren Schäufelchen, Pinselchen und Besen und versuchen, die Relikte der Vergangenheit freizulegen.
Wie weit konnten Sie bisher schon in die Vergangenheit eintauchen? Es gibt ja Dinge, die nicht von unmittelbarem Wert sind, und solche, die weltweit unvergleichbar wertvoll sind.
Karin Fischer Ausserer: Wien hat eine Geschichte von 7.000 Jahren. In all den Jahren haben Menschen dort ihre Spuren hinterlassen. Und weil es Menschen waren wie du und ich und weil diese Menschen immer dieselben Bedürfnisse hatten – ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen, zu trinken und anzuziehen – interessiert uns alles, egal ob es siebentausend oder fünfzig Jahre alt ist. Der Archäologe liest aus der Erde die Geschichte der Menschen, die vor uns da waren.
Also ist es tatsächlich nicht so, dass man sich an Steinen aufhält, sondern letztlich ist es immer Menschengeschichte, auf deren Spuren sie sich begeben?
Karin Fischer Ausserer: Selbstverständlich. Der Mensch steht immer im Vordergrund. Die Funde, die wir aus der Erde holen, erzählen das Leben dieser Menschen. Wir können daraus lernen, wir können vielleicht etwas anders machen, aber im Grunde sind wir genauso Menschen wie jene vor 7.000 Jahren.
Gibt es einen Fund, der Sie besonders beeindruckt hat oder der ein Aha-Erlebnis zur Folge hatte?
Karin Fischer Ausserer: Ja. Ich bin absolute Hundeliebhaberin. Ich habe schon den zweiten Schäferhund. Deshalb ist alles, was mit Tieren zusammenhängt, immer etwas Besonderes. Unter dem Judenplatz im ersten Bezirk in Wien, im Bereich des römischen Legionslagers, wo auch die mittelalterliche Synagoge gefunden wurde, fand man ein Hundeskelett. Die Archäozoologen schauten sich das Skelett an und stellten fest, dass dieser Hund verkrüppelt war, aber trotzdem an Altersschwäche starb. Das heißt, dass man vor tausend Jahren ein Tier, wenn es auch zu nichts mehr nütze war, trotzdem im Hausverband leben ließ. Das beweist, dass es damals schon Tierliebe gab und das gefällt mir gut.