Die Bestatterin
Im Frühling 2012 von Gudrun Esser
Magdalena Schwienbacher ist die erste und einzige ausgebildete Bestatterin in Südtirol und hat vor Kurzem ihre Meisterprüfung in diesem außergewöhnlichen Beruf absolviert. Sie folgt damit in vierter Generation der Berufung der Familie Schwienbacher und hat zusätzlich zu ihren Bestattungsbüros in Tscherms und Lana nun ihr eigenes „Bestattungsstudio“ in der Meraner Andreas-Hofer-Straße eröffnet.
Meraner Stadtanzeiger: Wann sind Sie auf die Idee gekommen, in die Fußstapfen des Urgroßvaters, Großvaters und Vaters zu treten und Bestatterin zu werden?
Magdalena Schwienbacher: Mit 20 Jahren, also im Jahr 2009. Da habe ich mir eine Stelle bei einem Bestattungsunternehmen in München gesucht. An sich wollte ich dort nur ein Praktikum machen, der Betrieb bot mir dann aber auch die Ausbildung an, so bin ich länger geblieben und habe nebenbei die Ausbildung, zur Geprüften Bestatterin, in Münnerstadt, in der Nähe von Würzburg, absolviert. An einer eigenen Schule für Bestatter. Im Anschluss an die Ausbildung haben meine Eltern mir angeboten, ein Büro in Meran zu eröffnen. Im Juni 2010 kam ich zurück in den elterlichen Betrieb und bereits im Oktober haben wir das Büro in der Andreas-Hofer-Straße eröffnet.
Meraner Stadtanzeiger: Also eine Filiale?
Magdalena Schwienbacher: Ja, genau. Wir haben den Hauptsitz in Tscherms, ein weiteres Büro haben wir im vergangenen Jahr in Lana neu eröffnet.
Meraner Stadtanzeiger: Zurück zu Ihrer Ausbildung: Sie haben trotz Büroeröffnung aber noch Ihre Ausbildung fortgesetzt?
Magdalena Schwienbacher: Ja, ich habe zusätzlich noch meinen Meister gemacht, den Titel erhielt ich im März dieses Jahres.
Meraner Stadtanzeiger: Was kann man als Bestattungsmeister?
Magdalena Schwienbacher: Einiges! Man macht verschiedene „Kurse“ zur Trauerpsychologie, um Hinterbliebene beraten und betreuen zu können. Dann natürlich auch Betriebswirtschaftlehre, Grabtechniken und Hygieneschulungen, um einige Beispiele zu nennen.
Meraner Stadtanzeiger: Was bedeutet das?
Magdalena Schwienbacher: Wir haben zum Beispiel gelernt, wie man mit einem Bagger, aber auch von Hand ordnungsgemäß ein Grab öffnet. Man muss ja hierbei auch den Grabstein bzw. die Erde „sichern“, damit das Grab nicht einstürzt und es im schlimmsten Falle zu einem gefährlichen Unfall kommt. Während der Ausbildung übt man das auf einem Übungsfriedhof. Außerdem lernt man noch die Hygienemaßnahmen, auf die man achten sollte, aber auch das Waschen, Anziehen bis hin zu Grundkenntnissen über die Einbalsamierung/Thanatopraxie von Verstorbenen.
Meraner Stadtanzeiger: Was genau geschieht bei der Thanatopraxie und weswegen?
Magdalena Schwienbacher: Das Blut im Körper wird durch eine spezielle Flüssigkeit ausgetauscht, damit der Körper länger „konserviert“ wird. Es wird sozusagen der natürliche Prozess der Verwesung gestoppt und verzögert, damit Angehörige mehr Zeit zum Abschiednehmen haben – wenn z.B. der Verstorbene erst in sein Heimatland transportiert werden muss. Außerdem ist es Teil mancher Kulturen.
Meraner Stadtanzeiger: Eine Sache, wenn Sie eine recht pragmatische Erklärung liefern, aber sich vorzustellen, dass eine junge, hübsche Frau ihr Leben mit Leichen verbringt, klingt befremdlich. Hatten Sie keine anderen Berufswünsche, oder hat man erwartet, dass die Tradition auch in vierter Generation fortgesetzt wird?
Magdalena Schwienbacher: Nein, das hat man gar nicht erwartet, im Gegenteil, meine Familie war eher erstaunt über meinen Berufswunsch. Mein Opa hat anfangs meine Idee, eine Bestatterausbildung zu machen, etwas belächelt. Jetzt ist er aber sehr stolz auf mich!
Meraner Stadtanzeiger: Kamen während Ihrer dreijährigen Ausbildung nie Zweifel, oder hat Sie das nicht geekelt?
Magdalena Schwienbacher: Nein, gar nicht. Ich bin meinen Weg eigentlich recht zielstrebig gegangen. Während meiner Ausbildung kam die Idee des Büros in Meran auf, das haben wir dann im Herbst 2010 eröffnet, da stand mir noch die Abschlussprüfung als Gesellin bevor. Natürlich gab es in der Ausbildung Momente, in denen ich über meinen Schatten springen musste, aber ich finde genau das ist in einer Ausbildung auch wichtig.
Meraner Stadtanzeiger: Sie sind jung, ausgesprochen lebensfroh und im Beruf permanent mit dem Tod konfrontiert, müssen fremde, tote Menschen waschen, ankleiden - was können Sie diesem Beruf abgewinnen?
Magdalena Schwienbacher: Da sein und helfen können, das ist für mich das „Schöne“ an meinen Beruf. Für mich steht im Vordergrund, dass ich den Angehörigen mit meiner Arbeit helfen kann. Denn sie stehen oft vor einer völlig neuen Situation, eben einem Abschied von einem Menschen und damit dem Abschluss eines Lebensabschnitts. Damit sind fast alle zunächst überfordert. Das „Schöne“ an meinem Beruf ist, dass ich diesen Menschen viel Last abnehmen kann, beispielsweise die Bürokratie, die Organisation der Feierlichkeiten und selbstverständlich bin ich in dieser Zeit für Fragen oder Wünsche der Angehörigen da. Die Zeit zwischen Tod und Begräbnis sind meist nur drei Tage. In dieser kurzen Zeit muss viel erledigt werden, es bleibt also kaum Zeit, zu trauern. Mein Wunsch ist es daher, den Angehörigen so viel wie möglich abzunehmen, damit sie von Anfang an Zeit zum Trauern haben.
Meraner Stadtanzeiger: Da hätten Sie ja auch Theologie studieren können?
Magdalena Schwienbacher: (lacht laut) Nein, das wäre dann doch nicht so das Richtige. Nein, ich denke, dass mir in die Wiege gelegt wurde, dass ich mit dem Tod umgehen und ihn auch verarbeiten kann. Alles Weitere habe ich während der Ausbildung und natürlich von meiner Familie gelernt.
Also, wie ich mit Menschen umgehe, wann meine Grenzen erreicht sind, wann es für den Betroffenen besser wäre, professionelle Betreuung in Anspruch zu nehmen. Also, ich muss auch meine Grenzen erkennen und sie mir im Falle eingestehen können.
Meraner Stadtanzeiger: Was gehört neben der Bürokratie zu Ihren Aufgaben?
Magdalena Schwienbacher: Das beginnt bei den Todesanzeigen, geht über die Parte-Zettel, die vor allem im Dorf verteilt werden, bis hin zu Sterbebildern und betrifft die Organisation des Blumenschmucks. Selbstverständlich organisieren und gestalten wir auch den Abschied und die Trauerfeier. Und das soll für weniger betuchte Menschen natürlich genauso würdevoll sein, wie für jene, die sich finanziell besser stehen. Wir versuchen da immer, einen Weg zu finden.
Meraner Stadtanzeiger: Wie steht es mit Sonderwünschen, wie wir sie aus amerikanischen Filmen kennen? Nagellack, geschminkte Leichen etc.
Magdalena Schwienbacher: Ja, in der Schule lernt man das schon. Aber in dem Ausmaß, wie wir es aus Filmen kennen, ist es bei uns eigentlich kaum gefragt. Es gibt natürlich auch in diesem Bereich Trends. So wählt man bei uns zunehmend Natursärge.