Meran und seine Hochwässer
Eine kurze Betrachtung zu einer langen Geschichte
„Die Tätigkeit der Wildbachverbauung ist mit dem Eingriff eines Chirurgen vergleichbar“ (aus: Wasserschutzbauten, 2007). Was Ernst Watschinger, oberster Wildbach-Verbauer von 1951-91, wohl als wissenschaftlich fundierten Leitgedanken meinte, verweist auf ein eingeschränktes Verständnis des komplexen Wechselspiels der Naturkräfte. Die europäische Fluss- und Wildbachverbauung war lange Zeit der recht hilflose Versuch, mit Symptombekämpfung die Natur zu bezwingen, dem Wasser durch Begradigung, Einengung, Wehre und Kunstbauten menschlichen Willen und Maßstäbe aufzuzwingen.
Ohne Zweifel braucht ein Gebirgsland wie Südtirol mit seiner Zersiedelung, den Hanglagen und Flusstälern Sicherungsmaßnahmen und Verbauungen. Die Kanalisierung der Bäche verlagerte die Gefahr aber häufig nur an die nächsten Schwachstellen weiter flussabwärts. Da, wo es früher z. B. an der Passer natürliche Überflutungsflächen wie die Lazag gegeben hatte, raubten Ingenieure und Obstbauern dem Bach seinen letzten Raum. Immerhin hatte der Bach dort Hausrecht seit der letzten Eiszeit.
Die Philosophie in Südtirol hieß Jahrzehnte lang: verbauen, was der finanzielle Haushalt hergibt. In Watschingers Amtszeit fallen die Hochwässer in den Jahren 1960, 1965, 1966, 1981 und 1987. In anderen Ländern hatte in den Achtzigern die Zeit der sogenannten Renaturierungen längst begonnen. Man hatte gelernt, die Hochwasser zu respektieren, das Verständnis wandelte sich.
Ein Blick zurück
Spätestens seit dem Kummersee-Ausbruch im 14. Jahrhundert kannten die Meraner die Gefahr, die von der Passer ausging. 1419 hatte der durch einen Bergsturz 1401 entstandene See Spital und Heilig-Geist-Kirche samt Pfarrer und Gläubige weggespült. Die südliche mittelalterliche Stadtmauer diente nicht zuletzt dem Hochwasserschutz. Der Kummersee bedrohte drei Jahrhunderte lang Meran.
Die kuriose Geschichte der Errichtung des Steinernen Stegs durch den Brixner Baumeister Andrä Tanner Anfang des 17. Jahrhunderts erzählt ein weiteres Kapitel Katastrophengeschichte. Die Brücke war eben fertiggestellt, als ein Hochwasser sie wegschwemmte. Tanner flüchtete zunächst einmal vor dem Zorn der Meraner ins Ausland, baute die Brücke aber kurz darauf neu. Ebenso sind spätere Hochwasser im Jahrhundert der Regulierungen mit Schäden verbürgt, z. B. während des Baus der Gilfpromenade 1873.
Schutzpatrone gegen das Hochwasser
An der Fassade der Meraner Pfarrkirche ist nicht zufällig der Reisepatron Christophorus abgebildet, der das Jesukind durch Wasserfluten trägt. Ebenso blickt der Kirchenpatron selbst, der Hl. Nikolaus, verehrt u. a. als Schutzheiliger gegen Hochwasser, in Richtung Sandplatz, also zur Passer. Schon der Name erzählt, dass dieser Platz mit angeschwemmtem Sand der Passer zu tun hat und hier vermutlich ein großes Kehrwasser Material ablagerte.
Es ist eine wichtige Erkenntnis, dass man am Sandplatz auf der Höhe des Flussbettes der Passer steht und nur ein künstlicher Damm – die Promenade – bei Hochwasser die Stadt schützt. Untermais fällt hingegen schnell einmal zehn Höhenmeter ab und wäre von Überschwemmungen unmittelbar betroffen.