Der Maiser Waal, ein Baudenkmal aus vergangenen Jahrhunderten
Im Frühling 2013 von Dr. Walter Egger
Maiser Waal, so nennen Wanderkarten und Hinweisschilder kurz den Wasserwaal, der von Saltaus nach Obermais führt, der aber nach den Urkunden eigentlich „Obermaiser Trag- oder Neuwaal“ heißt. Er ist der höchstgelegene von den drei Maiser Waalen, die in weitem Bogen das Gebiet von Mais auf unterschiedlicher Höhe queren und voll in Betrieb sind. Der Waalsteig zwischen Schloss Planta in Obermais und dem Torgglerhof in Saltaus ist ein beliebter Wanderweg, der zu jeder Jahreszeit viele Einheimische und Touristen anzieht.
Als 1462 Landesfürst Sigmund den Bau des neuen Waales genehmigte, bestand bereits ein „alter“ Maiser Trag- oder Mühlwaal, der heute noch durch die Lazag verläuft und schon seit dem 13. Jahrhundert urkundlich bezeugt ist. Die Vermutung, dass der Name „Neuwaal“ auf die jüngere Entstehungszeit zurückzuführen ist, liegt nahe. Anderseits kann die Bezeichnung aber auch auf die Instandsetzung im Jahre 1657 zurückgehen, wo die Anlage nach mehr als 30-jähriger Unterbrechung neu eröffnet wurde und der diesbezügliche Arbeitsaufwand gewissermaßen einem Neubau gleichkam. Für diese Erklärung spricht, dass die Bezeichnung „Neuwaal“ sich in den Schriften erst nach 1700 mehr und mehr durchgesetzt hat.
Waalverlauf: Der Obermaiser Tragwaal wird bei Saltaus am linken Ufer der Passer, am Fuße der sogenannten Schandlahn, eingekehrt, er „trägt“ das Wasser, rund 150 Sekundenliter, am steilen Talhang entlang durch Schenner Gemeindegebiet zum Sonnwendhof in Obermais, wo sich eine größere Verteilerstelle befindet und das Obermaiser Bewässerungsgebiet beginnt. Tragwaale sind also Hauptwaale, die das Wasser dem Verteilernetz zuführen. Das geringe Gefälle der Passer im äußeren Passeiertal macht hier ein sehr langes Zuleitungsstück von der Einkehr bis zum Beginn der Kulturflächen notwendig.
Der Waal rinnt dann weiter zwischen den Höfen Außerleiter und Bäcksteiner hindurch, am Tannharthof und Schloss Planta vorbei durch die Güter des ehemaligen Abendbauern und des Pröfingerhofes, unterquert beim Kripplerhof die Schennastraße und zieht am Bauhof, Grieser- und Stadlerhof entlang bis zum Naifbach, wo er schließlich unweit des alten Mairhofes St. Valentin einmündet. Die Besitzer von St. Valentin und Schloss Trauttmansdorff führen das Wasser-Wasser durch eine Rohrleitung, früher durch ein „Holzgschal“, über den Naifbach hinweg in ihre Obst- und Gartenanlagen. Der Höhenunterschied zwischen der Einkehr bei Saltaus und der Einmündung in den Naifbach beträgt nur 51 Höhenmeter, daher fließt das Wasser auf der gesamten, rund 8,5 km langen Strecke fast eben dahin.
Bau: Die Bauweise passt sich stets den verschiedenen natürlichen Geländeformen an. Im wenig geneigten Gelände wird er von einem Erdwall gestützt, der durch den Erdaushub entstanden ist. Angelehnte Steinplatten sichern das Gerinne vor Erosion. Bei etwas stärkerem Gefälle ist die Sohle gepflastert, um Unterspülungen zu vermeiden. In steileren Hängen stützen Mauern, oft jahrhundertealte Trockenmauern, den Damm noch zusätzlich ab.
Wo der Waal Muren ausgesetzt ist oder Moränen und Schutthalden queren muss, verschwindet das Wasser im dunklen „Gschal“, dessen Bau anspruchsvoll und entsprechend teuer war. Die Seitenwände wurden mit Trockenmauern errichtet; der Boden mit Steinplatten ausgelegt und der gesamte Kanal schließlich mit „Überluckplatten“ zugedeckt. Darauf wurde eine Erdschicht aufgeschüttet und das Ganze der Hanglage angepasst.
Unterirdisch werden auch Bäche und Gräben durchquert, so z.B. der Masulbach, dessen reißendes Wasser über den im Bachbett versenkten Waal hinweg fließt. Ebenso beeindruckend ist das rund 400 m lange, mehrere Meter tief in der Erde liegende Gschal am Laubboden hinter dem Waalerhaus. Infolge eines gewaltigen Hangbruches musste allerdings ein Teil davon 1987 durch eine Rohrleitung ersetzt werden. Längere unterirdische Waalstrecken weisen in bestimmten Abständen sogenannte „Fenster“ auf, die für die Instandhaltung und Kontrolle des Waales notwendig sind.
Besonders gefährdete Stellen an Steilwänden, wie am Schwarzkofel, wurden mit sogenannten Wieren oder Kandeln aus Holz überbrückt. Sie führten über einfache, im Felsen festgekeilte Holz- oder Eisenträger, die oft zusätzlich durch Holzstreben von unten gestützt wurden. Ein Brett auf der Wier diente als schmaler Steg für den Waaler und die Interessenten. Im Laufe der Zeit ließ man diese gefährlichen Holzwieren ersetzen durch den Bau von Halbgalerien, die von erfahrenen Bergknappen aus dem Felsen gehauen oder gesprengt wurden. Felsinschriften von 1667 und 1671 erinnern noch an solche Arbeiten.
Dem Tragwaal entlang begegnen wir in regelmäßigen Abständen sogenannten Wierstöcken aus Eisen oder Holz, durch die das Wasser notfalls bei Unwettern oder Waalbrüchen schnell seitlich „abgekehrt“ werden kann. Mit dem Schwellbrett lässt sich auch die Wasserzufuhr regeln und das Überwasser ableiten. Ein Schloss sichert die eingestellte Höhe des Brettes vor unbefugtem Eingriff oder Missbrauch.
Die Errichtung einer Waalanlage war vor 500 Jahren, als noch keine technischen Hilfsmittel im heutigen Sinne zur Verfügung standen, ein mühevolles Unterfangen, das viel Zeit, schwere, teils gefährliche Arbeit erforderte und hohe Kosten nach sich zog. Außerdem stellte ein solches Gemeinschaftswerk immer wieder den Zusammenhalt der Interessenten auf eine harte Probe, dies um so mehr, als es sich beim Obermaiser Tragwaal um einen der längsten Waale im Burggrafenamt handelte. Kein Wunder also, dass der Bau mehrere Jahrzehnte gedauert hat. Wenn heute auch moderne Baustoffe wie Beton und Rohre aus Eisen, Zement oder Kunststoff die alten, naturgegebenen Materialien ersetzen, so beschränkt sich dies auf die notwenigen Instandsetzungsarbeiten bei Wasserverlust oder Waalbrüchen. Im Übrigen hat der Neuwaal seine ursprüngliche Form und Bautechnik – den Bauern sei Dank – zu einem überwiegenden Teil bis in die Gegenwart erhalten.