Ein Bildstock in Obermais, der Erinnerungen weckt
Im Winter 2013 von Dr. Walter Egger
Demnächst soll das Dach des Bildstockes an der Ecke Christomannosstraße/ Ifingerstraße mit Holzschindeln fachgerecht erneuert werden. Die Inschrift am Giebel weist auf das Baujahr 1930 hin und das Wappen auf die Freiherrenfamilie von Hoffmann.
Den Auftrag zum Bau der kleinen Kapelle gab Philipp Baron von Hoffmann, Eigentümer der Villa Paulina, die später Villa Danica und heute Villa Hoffmann genannt wird. Vermutlich hat der Tod seiner Mutter Lydia von Hoffmann, gest. 1929, den Freiherrn bewogen, ein sichtbares Zeichen der Erinnerung zu setzen.
Der gewählte Standort hängt mit der Verlegung und Neuanlage der Praderstraße zusammen, die einst beim Hölzlhof (Kienzl) abzweigte, um in Richtung Praderhof zu führen. Im Frühjahr 1930 waren die Arbeiten vollendet; die neue Straße verlief nunmehr parallel zur alten, aufgelassenen Trasse: Sie entspricht der heutigen Ifingerstraße.
Bildstöcke an Weggabelungen sind alte Tiroler Tradition: So steht auch die Hoffmann-Kapelle an der 1930 neu geschaffenen Kreuzung als ein Zeichen des Volksglaubens und als Mahnmal zugleich.
Villa Eulenhorst (1882-1891)
Louis Herwarth von Bittenfeld, königlich-preußischer Major, kaufte 1881 von Anna Baronin von Pittel aus dem ehemaligen Reistlhof ein 3.560 m2 großes Grundstück, um darauf eine imposante Villa zu errichten. Er nannte sie „Eulenhorst“ nach dem Stammwappen der Familie, das in Silber eine goldbewehrte rote Eule zeigt. Die Familie Herwarth von Bittenfeld ist ein altes deutsches Adelsgeschlecht der Stadt Augsburg.
Familie Hoffmann in der „Villa Pauline“ (1891-1954)
Freiherr Richard von Hoffmann, Sohn des Leipziger Bankiers Ludwig Ferdinand von Hoffmann und der Pauline Mayer-Frege, hatte einige Jahre im Bankhaus seines Vaters in New York gearbeitet, als er Lydia Ward aus Bosten kennenlernte, sie ehelichte und 1870 nach Rom übersiedelte, wo er die historische „Villa Mattei“ erwarb. Krankheitsgründe führten das Ehepaar um 1890 in den Kurort Meran/Obermais. Hier bot zunächst die neuerbaute Villa Praderhof das passende herrschaftliche Ambiente für einen längeren Kuraufenthalt.
Es war aber nicht der Freiherr selbst, sondern seine Gattin Lydia von Hoffmann geb. Ward, die im Oktober 1891 die Villa Eulenhorst in Obermais samt Garten um 65.000 Gulden erwarb. Die neuen Besitzer tauften die Villa sofort nach dem Kauf – wohl in Erinnerung an die Mutter des Freiherrn – in „Villa Pauline“ um. Die italienische Form „Paulina“ erscheint schon 1909. Baron und Baronin von Hoffmann waren weithin bekannt ob ihrer sprichwörtlich gewordenen Freigebigkeit und Wohltätigkeit für die Armen, für karitative und soziale Vereine wie auch wegen ihrer großzügigen Hilfe bei Unglücksfällen und Naturkatastrophen.
Richard Freiherr von Hoffmann starb 1909 in der Villa Paulina und wurde vom Trauerhause ausgehend im alten Friedhof vor der Leichenkapelle in Untermais beerdigt. Die Bestattung fand ohne Glockengeläute und kirchliche Zeremonie statt, da der Verstorbene evangelischer Konfession war. „Die Tatsache, dass der katholische Friedhof seine Pforten einem Andersgläubigen geöffnet hat, dass nebst den vielen Freunden und Verehrern des Verstorbenen, nebst den Vertretern der Behörden und Korporationen auch die katholische Geistlichkeit von Meran und Umgebung sehr zahlreich am Leichenbegängnisse teilnahm, ist ein erfreuliches Zeichen einer bisher ungewohnten, aber desto lobenswerteren Toleranz“, so kommentiert die „Meraner Zeitung“ das Ereignis mit spitzer Feder.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Eigentum der „deutschen“ Freiherrenfamilie von Hoffmann als Feindesgut vom italienischen Staat beschlagnahmt, der Besitz in Rom ging verloren, die „Villa Paulina“ hingegen wurde 1924 der Witwe Lydia von Hoffmann zurückerstattet, angeblich in Anerkennung der philanthropischen Verdienste der Familie in Italien. Dass die Witwe amerikanischer Herkunft war, mag dabei wohl eine Rolle gespielt haben.
Die Baronin verstarb 1929 in ihrem Obermaiser Wohnsitz nach kurzer Krankheit im Alter von 83 Jahren. Ein imposanter Trauerzug, wie ihn die Maiser schon lange nicht mehr gesehen hatten, bewegte sich hinab zum alten Friedhof in Untermais, wo die edel gesinnte Verstorbene in der Familiengruft an der Seite ihres Gatten die letzte Ruhe fand. Das Grabmal des Ehepaares steht noch heute an der Südecke des Friedhofes vor der Untermaiser Leichenkapelle.
Alleinerbe wurde der Sohn Philipp Freiherr von Hoffmann (1874-1943). Er hatte nach dem Jurastudium 1901 die Diplomatenlaufbahn eingeschlagen und als bayrischer Gesandter in Petersburg und in Wien gewirkt. Der vermögende Diplomat i. R. erwarb 1932 die liechtensteinische Staatsbürgerschaft. Im gleichen Jahr vermählte er sich in Wien mit Valeska Koralek, Tochter aus jüdischer Familie. Walli war ihr Rufname. Durch die Heirat wurde auch sie liechtensteinische Staatsbürgerin. Das Ehepaar lebte in der Folge standesgemäß in ihrer schlossartigen Villa in Obermais. Anfang August 1943 starb der Baron, 69 Jahre alt, und hinterließ die Witwe ausgerechnet in einer Zeit, wo sie seinen Schutz besonders notwendig gebraucht hätte. Denn nur wenige Wochen nach seinem Tod wurde sie als Jüdin verhaftet und deportiert. Nach nahezu zwei Jahren Gefängnis und Lagerhaft kehrte sie 1945 nach Meran in die Villa Paulina zurück. Hier starb sie 1954. Den Nachlass erbte der Onkel Dr. Heinrich Rosenzweig in Wien, der die Liegenschaft in Obermais zwei Jahre später an Maria Eriksen verh. Schlesinger abtrat. Das Grab des Ehepaares Philipp und Walli von Hoffmann im Friedhof von Untermais wurde 1984 aufgelassen.
Villa Danica, heute Villa Hoffmann
Die neue Eigentümerin Maria Eriksen verh. Schlesinger, gebürtig aus Dänemark, gab ihrem 1956 erworbenen Wohnsitz den Namen „Villa Danica“ (Dänische Villa) und führte sie als Fremdenpension weiter.
1968 zogen nochmals neue Besitzer ein: Das herrschaftliche Anwesen mit Park ging nun in das Eigentum des Fürsorgefonds F.A.P.P. der Carabinieri über, die hier einen Feriensitz für Mitglieder und Angehörige einrichteten. Vor einigen Jahren wurde die mittlerweile denkmalgeschützte Villa schließlich – zu Ehren der einstigen Besitzerfamilie – in „Villa Hoffmann“ umbenannt.