Eine Seilbahn für Bogotá
Im Sommer 2015 von Dr. Martina Reinstadler
Die Firma Doppelmayr hat vor kurzem einen Zuschlag für ein urbanes Seilbahnprojekt in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá erhalten. Als öffentliches Verkehrsmittel soll die kuppelbare Gondelbahn in das Verkehrsnetz integriert werden und für die Bewohner und Pendler der Stadt viele Vorteile mit sich bringen.
In großen Städten auf der ganzen Welt steht der öffentliche Nahverkehr vor dem Kollaps. Das Durchschnittstempo des Verkehrs in den Metropolen beträgt rund 20 Stundenkilometer. Der Stau auf den Straßen ist meistens einfach zu dicht. Mit dem eigenen Auto voranzukommen ist fast unmöglich, die meisten Menschen sind auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Auch Busse leiden unter den langen Staus während der Rushhour, für viele Pendler aus den Peripherien ein Albtraum. Große Städte wie London, Singapur, Istanbul oder La Paz haben ihr Verkehrsnetz durch den Bau von Seilbahnen revolutioniert.
Täglich mit diesem Verkehrsproblem konfrontiert ist auch Kolumbiens Hauptstadt Bogotà. Deshalb haben sich die Verantwortlichen der Stadt für eine innovative Lösung entschieden. Eine Seilbahn soll im Stau stehende Bus- und Bahnlinien ersetzen. Zur Realisierung des Projektes werden die Fachkenntnisse der Firma Doppelmayr genutzt. Sie wurde mit dem Bau beauftragt. Auch die Firmenstelle in Lana ist am Projekt beteiligt. Bereits im Herbst wird mit dem Bau der ersten Sektionen begonnen. In zwei Jahren soll das gesamte Projekt fertig gestellt werden. Der Bauvertrag wurde im Juli unterzeichnet. „Das Projekt wird von der Firma Doppelmayr mit Niederlassung in Südamerika abgewickelt. Da dort nicht produziert wird, wird auf die Produktionsstätten in Europa zurückgegriffen. Auch in Lana werden Teile für die Seilbahn in Bogotà hergestellt“, sagt Othmar Eisath. Er ist Geschäftsführer von Doppelmayr Italien.
Im Gegensatz zu Skiliften müssen bei Stadtseilbahnen sehr viel längere Betriebszeiten, der Verkehr in der Stadt und technische Besonderheiten in den Kabinen berücksichtigt werden. „Im ersten Schritt werden nun diverse Studien und Designabstimmungen mit den Verantwortlichen der kolumbianischen Hauptstadt durchgeführt. Dann können wir mit dem Bau beginnen. Die kuppelbare Gondelbahn wird 3,3 Kilometer lang und mit 160 Gondeln für je 10 Personen ausgestattet sein. Insgesamt werden sechs Seilbahnstationen entstehen, die wichtige Verkehrsknotenpunkte erschließen“, erklärt Eisath.
Über den Dächern der Stadt
Die Seilbahn wird das Viertel Ciudad Bolívar im Süden der Stadt an das öffentliche Busnetz Transmilenio anbinden. Da das Gebiet in Bogotà sehr hügelig ist, bietet sich eine Seilbahn als optimales Transportmittel an, aber auch aufgrund der spärlich vorhandenen Verkehrsinfrastruktur ist eine Seilbahn sinnvoll. Die Straßen in der Stadt sind sehr eng, weshalb man keinen Zug oder eine U-Bahn bauen kann.
Der Bau einer Seilbahn ist sehr kostengünstig, schnell und die Ebene in der Luft frei nutzbar. „Zudem erweisen wir durch den Bau der Seilbahnen der Bevölkerung einen sozialen Dienst. Viele Bewohner aus Ciudad Bolívar arbeiten im Zentrum von Bogotá, der Weg zu ihrem Arbeitsplatz kann jeden Tag bis zu zwei Stunden dauern. Die erste Stunde Anreise aus den Hügeln von Ciudad Bolivar bis zur ersten Busstation des öffentlichen Busnetzes wird heute noch mit kleinen privaten Bussen über kurvige Bergstraßen zurückgelegt. Verkehrsstaus zur Rushhour stehen auf der Tagesordnung. Mit der neuen Seilbahn ist das Geschichte. Die Lebensqualität der Bewohner wird sich erheblich verbessern. Zudem wird durch eine bessere Anbindung an die Innenstadt das ganze Wohngebiet aufgewertet und attraktiver“, sagt Eisath. Der Preis für ein Ticket der Seilbahn wird der gleiche sein wie für das öffentliche Bussystem Transmilenio und in dieses integriert. Er beträgt 1.800 Pesos, das sind umgerechnet 60 Cent. Ein Preis, den sich auch die untere Sozialschicht der Einwohner von Bogotà leisten kann.
Für den Bau der Doppelmayr-Seilbahn werden Konstrukteure und Spezialisten nach Bogotà geflogen. Die Hilfsarbeiter werden hingegen vor Ort gesucht. „Dadurch lernen die Menschen dort das Produkt ganz genau kennen. Wenn die Bahn fertig ist, werden sie dann noch einmal eingeschult. Die Einheimischen bekommen dadurch von Anfang an alles mit und sind nach einigen Monaten imstande, die Bahnen selbst zu betreiben und zu warten. Zudem werden Arbeitsplätze geschaffen. Das ist auch ein Garant dafür, dass die Bahn tadellos laufen wird“, sagt Eisath.