Im Einklang mit der Natur
Bodenständiger Betrieb in der dritten Generation
Im Herbst 2015 von Helmuth Tschigg
Ist es die Arbeit im Freien oder der Umgang mit Blumen und Pflanzen, die Christian Reichert so viel Ruhe ausstrahlen lassen? Der junge Gärtner erzählt von den Anfängen des Betriebes, die in der um die Jahrhundertwende aufstrebenden Kurstadt Meran liegen.
Der Urgroßvater kam aus Bad Cannstatt bei Stuttgart, sah hier seine Chance und ließ sich nieder. Als Parkgärtner hatte er bei größeren Landgütern für Gräfinnen und Grafen gearbeitet. Er besaß damals keinen eigenen Grund und Boden. Den kaufte dann erst der Opa in den 30er-Jahren hier im Hagen an. Das waren damals nur rund 6.000 m². Später erwarb der Vater Karl noch 1.500 m² dazu, da war auch ein Stück mit Weinreben dabei.
1993 übernahm Christian Reichert den Betrieb. Er hatte in München die Berufsschule und in Stuttgart Hohenheim die Meisterschule besucht und Gartenbau und Landschaftsbau studiert. Jetzt führt er das Unternehmen mit neun Mitarbeitern. Zwei davon sind Teilzeitkräfte und zwei Lehrlinge sind in der Ausbildung, eine als Gärtnerin und eine wird Floristin. Diese besuchen die Berufsschule in der Laimburg im Blockunterricht.
Blumenbalkone, ein Südtiroler Markenzeichen
Die Gärtnerei Reichert begann in den 50er-Jahren in einem kleinen Gewächshaus mit der Pflanzenproduktion. Dieses war schon mit einer Kohlenheizung ausgestattet, doch musste jemand in der Nacht aufbleiben und ständig Kohlen nachlegen. Damals gab es noch keine große Auswahl an Pflanzen: einen Gummibaum, eine Azalee, einen Weihnachtsstern und eine Begonie oder Zyklame. Das Sortiment hat sich in den letzten Jahren deutlich vervielfacht.
In den 50er- und 60er-Jahren nahm der Tourismus in den Dörfern rund um Meran stark zu und damit entstand auch die Nachfrage nach Gartengestaltungen für Gastbetriebe und öffentliche Flächen. Und vor allem wurden viele Balkonblumen gebraucht. Vorher waren die Gärtnereien überwiegend Gemüsepflanzen- und Schnittblumenproduzenten, denn es war früher vielfach üblich, Schnittblumen, also Sträuße, zu verschenken.
Ab den 70er-Jahren wurden dann immer wieder neue Gewächshäuser dazugebaut. Da gab es dann auch neue Sorten Geranien, mit kompaktem Wachstum, die für die Balkone geeignet waren. In jenen Jahren wuchs der gesamte Gartenbau in ganz Europa sehr rasch und natürlich auch in Südtirol. Hier wurde der Blumenschmuck der Hotelanlagen zu einem besonderen Markenzeichen, das in den jeweiligen Prospekten präsentiert wird.
Die neuen technischen Anlagen
Die technischen Anforderungen in der Produktion sind damit auch gestiegen und die heutigen Anlagen nicht mehr wegzudenken. Früher musste man z. B. um 10 Uhr vormittags für die Schattierung auf die Dächer steigen und Schattenrollen manuell auslegen und diese dann von 16 bis 17 Uhr wieder einrollen, damit es länger hell bleibt. Das regelt sich heute alles automatisch, da ist in den letzten Jahren viel passiert.
Zu den technischen Errungenschaften zählt seit letztem Jahr auch eine Holzpellets-Heizung. Die Heizkosten sind nach den Personalkosten der zweithöchste Kostenfaktor, deshalb musste eine effizientere, kostensparende Anlage eingebaut werden.
Kostensparend müssen auch die automatischen Lüftungs- und Schattierungssysteme arbeiten: Sie öffnen und schließen sich selbstständig, entsprechend den programmierten Zeiten und Temperaturwerten.
Interessant ist in diesem modernen Betrieb auch die Bewässerung. Die Topfpflanzen stehen alle auf Tischen in Wasserwannen. Darin wird im Ebbe- und Flut-System bewässert. Das eingeleitete Wasser steigt 1 bis 3 cm hoch und wird nach 10 Minuten wieder abgelassen. In dieser kurzen Zeit wird das mit Dünger angereicherte Wasser im Erdreich der Töpfe angesaugt. So werden Blüten und Blätter nicht nass und brauchen keine besondere Pflege. Damit ist auch die gleichmäßige Bewässerung aller Töpfe garantiert sowie ein gleichmäßiges gesundes Wachstum.
Die Produktion entspricht der Nachfrage
Die serienmäßige Produktion von Topfpflanzen hat schon in den 60er-Jahren begonnen. Da war Christian noch ein kleines Kind. Zu jener Zeit waren besonders die Zyklamen, Weihnachtssterne und Becherprimeln beliebt. Damals wurden im Frühjahr Gemüsepflanzen gezüchtet, im Sommer dann mehr Schnittblumen, Dahlien, Gladiolen und Astern. Die Freilandflächen waren viel größer und die Gewächshäuser klein. Es gab auch viel mehr Blumengeschäfte in Meran, in denen mehr Blumensträuße gebunden und verkauft wurden als heute. Die Schnittblume hatte früher als Geschenk mehr Symbolcharakter als eine Topfpflanze.