Nichts wird mehr sein, wie es war
Im Winter 2015 von Verena Maria Hesse
Erst merkst du gar nicht, wie dir geschieht und dann plötzlich überkommt dich diese bleierne Müdigkeit, wie ein Stein fühlst du dich, der nur noch daliegen kann vor Schwere.
Und dieses Ziehen in den seltsamsten Regionen deines Körpers, dieses Spannen und Verkrampfen von Muskeln und Bändern, die du vorher gar nicht kanntest.
Und dann diese Übelkeit. Immerzu. Schrecklich. Du kannst dich nur übergeben. Von jedem Schluck Wasser und von jedem Bissen Brot, von allem, was du möchtest und von allem, was du solltest. Tag und Nacht. Es ist wie eine Welle, die dich umschließt und mitreißt und wochen-, ja eigentlich monatelang nicht mehr losgelassen hat. Aber der Zweck heiligt die Mittel. Der Zweck lässt es dich ertragen.
Du trägst das Ziel immer vor Augen.
Und diese Abneigung gegen Zahnpasta, gegen Waschmittel, gegen das Deo des Lebensgefährten und die Feuchttücher der kleinen Tochter, gegen Zigarettenrauch und Bier, gegen verbrannte Milch und Räucherstäbchen.
Dieses Würgegefühl, wenn du an Fleisch denkst, an Hülsenfrüchte und an Humus, diese samtige Sensation eines Joghurts im Mund und einer Käsesahne zwischen den Beißern. Diese Wollust auf Salzstangen und Pistazien, auf geröstete Haselnüsse und Orangen, auf Zitronensaft und Salat, auf Holundersaft und grünen Tee, dieses Verlangen nach Nestwärme, nach Geborgenheit, nach Harmonie – obwohl du selbst nicht gerade dazu beitragen kannst in deiner Situation, nach Umstellung der Wohnung und nach Einfärben der Heimtextilien.
Du trägst das Ziel immer vor Augen.