Da streiten sich die Leut' herum
Im Herbst 2016 von Dr. Luis Fuchs
Wie ist es zu erklären, dass ein Leichenfund Anlass zu jahrelangem Streit geben konnte? Lag die Leiche des Mannes vom Tisenjoch, dessen Tod manchen Kriminologen zu dramatischen Mordszenarien inspiriert, auf österreichischem oder italienischem Staatsgebiet? Der Fundort war eine Zeit lang strittig und Mord als Todesursache bleibt weiterhin umstritten. Jahre langen Rechtsstreit gab es dann noch den Finderlohn betreffend zwischen dem Ehepaar Simon aus Nürnberg und dem Land Südtirol.
Rund um das Wort „Streit“ scharen sich mehrere Adjektive, deren genaue Bedeutung zu unterscheiden uns nicht gerade leicht fällt: streitbar, strittig, streitig, umstritten. So ist ein streitbarer Mensch stets bereit, sich für etwas einzusetzen, um eine Sache zu kämpfen oder sie auch zu bekämpfen. Dass Reinhold Messner zeitlebens eine streitbare Persönlichkeit bleibt, hat er auch jüngst in der Diskussion über die Gipfelkreuze bewiesen. Als strittig gilt, was noch nicht geklärt ist und unterschiedlich ausgelegt wird. Das Flüchtlingsdrama droht in eine Tragödie zu führen, solange der Verteilungsschlüssel ein strittiger Punkt unter den EU-Mitgliedsstaaten bleibt. Von streitigen Ansprüchen spricht man in der Rechtssprache, sie sind Gegenstand eines Rechtsstreits.
Ob ohne den Freiheitskampf der 60er-Jahre die Autonomieverhandlungen zum „Südtirol-Paket“ geführt hätten, blieb auch bei der Tagung „70 Jahre Pariser Vertrag“ umstritten. Dass das neue Autonomiestatut die Voraussetzung für die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Südtirols war, gilt als unumstritten.
Geht die Rede vom Streit, greifen wir gerne auf sprichwörtliche Redewendungen zurück. „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.“ Die Volksweisheit entspricht dem Satz des römischen Geschichtsschreibers Livius: „Duobus litigantibus tertius gaudet.“ Von diesem Zitat abgeleitet ist der „Tertius gaudens“, uns als „der lachende Dritte“ bekannt. Im Alltag bewahrheitet sich vielfach die Aussage des römischen Historikers Sallust: „Durch Eintracht wächst das Kleine, durch Zwietracht zerfällt das Größte.“ Wird um etwas gestritten, das sich nicht lohnt oder gar nicht entscheiden lässt, dann streitet man „um des Kaisers Bart.“ Die Redensart wird auf scheingelehrte Streitigkeiten um die Barttracht der deutschen Kaiser bezogen.