Handschrift ade?
Im Winter 2019 von Dr. Luis Fuchs
Nach Öffnung eines handschriftlichen Testaments hatten die Angehörigen des Verstorbenen ein grafologisches Gutachten anfertigen lassen. Wie die Neue Südtiroler Tageszeitung berichtet, war ein Hof im Wert von drei Millionen Euro der Pflegerin des Bauern als Alleinerbin vermacht worden. Die Handschrift erwies sich als gefälscht, die Beschuldigte hat inzwischen auf die Erbschaft verzichtet.
Die Handschrift hat also keineswegs ausgedient, wenn auch in Zeiten der Digitalisierung immer weniger Menschen mit der Hand schreiben. Am 23. Januar wird weltweit der Tag der Handschrift begangen. Dieser Tag ist der Geburtstag von John Hancock: Er war Präsident des Kontinentalkongresses und als Vorläufer des US-Präsidenten setzte er im Jahre 1776 als Erster seine markante Unterschrift (13 cm) unter die Unabhängigkeitserklärung.
Ist es noch sinnvoll, mit der Handschrift zu schreiben? Unsereiner greift gewohnheitsgemäß zu Kuli oder Bleistift, um Einkaufszettel und Notizen anzulegen. „Zahlreiche Studien und Analysen belegen, dass man sich den Inhalt viel besser merkt, wenn man Notizen handschriftlich erstellt“, erklärt Johann Drumbl, ehemaliger Professor für Deutsche Sprache an der Uni Bozen. Durch das Schreiben mit der Hand wird das Gehirn ganzheitlich aktiviert, die Erinnerungsleistung wird erheblich gesteigert. Ein alter Satz besagt dies treffend: Handschrift ist Hirnschrift. Denken wir an die eigene Schulzeit: Hatte man vorsorglich einen Schwindelzettel geschrieben, brauchte man ihn meistens gar nicht mehr.
Wird die Handschrift durch das Schreiben per Tastatur ersetzt, geht inhaltlich vielleicht nicht allzu viel verloren. Doch unser persönliches Empfinden und die eigenen Gefühle können wir im Handgeschriebenen gewiss besser ausdrücken. Dies gilt beispielsweise für Glückwünsche zu besonderen Anlässen und insbesondere für Kondolenzbriefe. Es gibt auch heutzutage noch Schriftsteller, die schöpferische Texte erst einmal von Hand verfassen. Der österreichische Autor Alois Brandstetter hält selbstbewusst an seiner Schreibtechnik fest: „Ich lasse mir nicht nehmen, das Schreiben selbst zu praktizieren und die Motorik der Hand, die dem Gehirn gehorcht, zu genießen.“