Ist der Genitiv noch zu retten?
Im Frühling 2015 von Dr. Luis Fuchs
„Tiroler Schützen gedachten dem Ersten Weltkrieg“, war neulich im Internetportal stol.it zu lesen. Es ist gewiss ehrenhaft, wenn die Schützen nach hundert Jahren des heldenhaften Einsatzes der Tiroler Standschützen zur Verteidigung unserer Heimat gedenken.
Wenn sich die Schützen der damals Gefallenen erinnern, dann sollten sie allerdings nicht dem Ersten Weltkrieg, sondern des Ersten Weltkriegs gedenken. Wie auch weitere bestimmte Verben verlangt „gedenken“ immer noch den Genitiv, dessen Überleben in unserem Sprachgebrauch arg bedroht ist.
Im Mittelmeer bedarf es einen effizienten Einsatz, wenn Europa dem Flüchtlingsstrom Herr werden will, so lautete kürzlich die Forderung. Es fällt uns vielleicht bei solchen Wendungen kaum mehr auf, dass es heißen müsste: Es bedarf eines effizienteren Einsatzes, um des Flüchtlingsstroms Herr zu werden. Genitiv heißt auf Deutsch zweiter Fall oder Wesfall. Ihn als „Wessenfall“ zu bezeichnen würde uns eher einleuchten, aber statt „wessen“ sagte man in mittelhochdeutscher Zeit „wes“. „Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über“, belehrte uns einst Martin Luther. „Wes Brot ich ess', des Lied ich sing' “, gibt ein altes Sprichwort zu denken; es hat bis heute an Gültigkeit nichts eingebüßt, gezielte Meinungsmache bestimmter Medien beweisen es.
„Wegen was regst du dich denn auf?“, sagen wir zwar umgangssprachlich, weswegen sollte es dagegen standardsprachlich heißen. „Wegen mir musste die Reise storniert werden“: Meinetwegen müsste es auch in dieser Aussage heißen. „Während dem ganzen Urlaub hat es geregnet“, beklagten sich nicht wenige Sonnenanbeter letztes Jahr. Um dem Genitiv eine Überlebenschance zu geben und des gepflegten Ausdruckes wegen, sollten wir während des Urlaubs sagen.