Ist „Mahlzeit“ eine Zeitangabe?
Im Frühling 2016 von Dr. Luis Fuchs
„Sichere Fahrt“ wird uns des Öfteren im Verkehrsfunk der RAI Südtirol angesagt. Sollen wir dies als eine Feststellung oder als eine Aufforderung verstehen? Oder darin doch einen wohlgemeinten Wunsch heraushören? „Wir wünschen Ihnen eine sichere Fahrt“ wäre eine eindeutige Botschaft und käme bei den Hörern sicher gut an.
Leider legen wir vielfach wenig Wert darauf, die alltäglichen Grüße und Wünsche in vollem Wortlaut bewusst auszusprechen. Statt „Guten Morgen“ murmelt man uns einfach „Morgn“ zu, der Wunsch „Guten Tag“ schrumpft einfach zu einem „Tach“. Positiv eingestellt nehmen wir ja an, dass uns die Mitbürger einen „guten“ Morgen und auch einen entsprechenden Tag wünschen. So ein geschrumpfter Gruß ist einem bedeutungslosen und sinnentleerten Allerweltswort „Hallo“ jedenfalls vorzuziehen.
Uns gegenseitig mit „Mahlzeit“ an die fällige Nahrungsaufnahme aufmerksam zu machen, hat sich als selbstverständliche Unsitte eingebürgert. „Eine gesegnete Mahlzeit“ hat man sich anno dazumal gewünscht, ein durchaus sinnvoller, gut gemeinter Wunsch. Einem Professor der alten Garde haben wir Schüler zur Mittagszeit – zwar gut gemeint aber schlecht getroffen – „Mahlzeit“ zugerufen, worauf er entrüstet parierte: „Mahlzeit? So ein Unsinn, da könnt ihr statt 'Gute Nacht' auch 'Bettstatt' sagen!“
Erfreulicherweise werden wir in Geschäften und Betrieben gar nicht selten mit „Schönen Abend noch“ verabschiedet. Ausgeladen werden wir dagegen aus manchem Laden mit einem unmissverständlichen „Hammernett“, Alternativvorschläge zu unterbreiten ist manchen Kaufleuten den Zeitaufwand wohl nicht wert. „Entschuldigen Sie bitte“, scheint manchem Bürger der Worte zu viel zu sein, es wird auf ein „Tschuldigung“ komprimiert. Staunen können wir nur, wie zeitsparend Jugendliche kommunizieren: Wünschen sie sich eine „Gute Nacht“, so simsen sie sich in ihrer Kürzelsprache einfach „gn8“ zu.