Manchmal kann Stille laut sein
Im Winter 2020 von Dr. Luis Fuchs
Eine sehr „Stille Nacht“ im kleinsten Kreise plane Papst Franziskus heuer zu Weihnachten, gab das vatikanische Staatssekretariat an die Botschafter beim Heiligen Stuhl bekannt. Bereits am Ostersonntag, als der Papst den Segen „Urbi et orbi“ im leeren Petersdom erteilte, berichtete ein österreichischer Journalist von einer „ohrenbetäubenden Stille“.
Wir leben in einer lauten Welt und haben uns so sehr daran gewöhnt, dass unerwartete (überraschende) Stille von den meisten Menschen als unangenehm, ja sogar beängstigend wahrgenommen wird. Anderseits gilt die Lärmbelästigung als eine der größten Gefahren für die Gesundheit unserer Gesellschaft. Es ist offenkundig, dass Lärm Stress verursacht und den Blutdruck steigen lässt. Psychologen empfehlen uns, Stille nicht nur zu ertragen, sondern diese ganz gezielt zu suchen. Stille sollten wir als neuen Luxus ansehen.
Neu ist diese Erkenntnis beileibe nicht. „Das ist die stillste Zeit im Jahr, wenn es Weihnacht wird, die Zeit der frohen Zuversicht und der gläubigen Hoffnung.“ Mit berührenden Geschichten stimmte dereinst Karl Heinrich Waggerl die Besucher des Salzburger Adventsingens auf die stimmungsvolle Zeit ein. Karl Valentin hielt seine Wahrnehmung von der weihnachtlichen Hektik mit dem ironisch doppelsinnigen Ausspruch fest: „Wenn die stille Zeit vorbei ist, dann wird es auch endlich wieder ruhiger.“
„Der Weg zu allem Großen geht durch die Stille“, beteuerte der streitbare Philosoph Friedrich Nietzsche. Im Sinne dieses Grundsatzes zog sich Gustav Mahler in den Sommermonaten von 1908 bis 1910 ins abseits gelegene Komponierhäuschen von Toblach zurück; in der Abgeschiedenheit des Wildparks komponierte er die 9. Symphonie und das „Lied von der Erde“. In diesem Liederzyklus, der als eines seiner Meisterwerke gilt, heißt es: „Wohin ich geh‘? Ich geh‘, ich wand‘re in die Berge. Ich suche Ruhe für mein einsam Herz!“