Singen sollten Fußballer auch können
Im Sommer 2018 von Dr. Luis Fuchs
„God save the Queen“: Wird es die Hymne sein, die uns zum Finale der Fußball-WM 2018 einstimmt, oder singen die Weltmeister diesmal „Rossija – swjaschtschennaja nascha derschawa“? Das Abspielen der Nationalhymnen stellt ein unverzichtbares Ritual dar, Zuschauer erheben sich und Fans stimmen voller Inbrunst mit ein. So wie die Flagge gilt die Landeshymne als nationales Symbol eines Staates. Dabei wird vorzugsweise die Freiheit zum obersten Ideal erhoben.
„Mit blitzendem Strahl erschien die Sonne der Freiheit“, singen die Brasilianer, womit sie mit unverhohlenem Pathos die Trennung von Portugal verherrlichen. Die Argentinier hatten schon 15-mal an einer WM teilgenommen und 77-mal Gelegenheit, von gesprengten Ketten zu singen: „Hört, ihr Sterblichen, den geheiligten Ruf: Freiheit, Freiheit, Freiheit!“ Im Nationallied der Franzosen wird auch dem Freiheitskampf als Kernmotiv gehuldigt: „Auf, Kinder des Vaterlands! Der Tag des Ruhms ist da.“ Gedichtet und komponiert wurde das Lied der Franzosen von Claude J. Rouget de Lisle; Soldaten aus Marseille sangen es im Jahre 1792 beim Einmarsch in Paris, zehn Tage vor dem Sturm der Tuilerien, woraufhin der König fliehen musste. Die Hymne ist gemeinhin als „Marseillaise“ bekannt, ihr Autor genießt das Ansehen eines Nationalhelden.
In manchen Nationalhymnen wird einfach nur die Schönheit des Landes gerühmt. Die Schweizer Fußballer müssen in die Rolle von Chorknaben schlüpfen, sobald sie psalmodierend singen: „Wenn der Alpenfirn sich rötet, betet, freie Schweizer, betet.“ Wie dem Fußballfeld entrückt, müssen sich die Australier fühlen, wenn sie ihre Hymne intonieren: „Das Meer umschließt unsere Heimat, unser Land ist reich an Gaben der Natur, von kostbarer und erlesener Schönheit.“ Zum ersten Mal erklang heuer bei der WM der „Lofsöngur“, der Lobgesang auf Island: „O Gott des Landes! Land von Gott! Dein Name sei uns heilig, ja heilig alle Stund'.“ Das Lied wurde zur Jahrtausendfeier der Besiedlung Islands im Jahre 1874 verfasst; die Premiere wurde in einer Kirche gefeiert, wie ein Kirchenlied hört es sich auch an.