Wenn wenige Worte reichen
Im Herbst 2016 von Dr. Luis Fuchs
Wir schaffen das: Drei Worte, die wir nicht so schnell vergessen werden. Die Botschaft der Bundeskanzlerin Angela Merkel ist für ihre Anhänger zum Leitmotiv geworden. Die Gegner haben eine Art Schubumkehr betrieben, nicht ohne eben dasselbe Motto einfach zu ergänzen: Wir schaffen das nie. Über die unvorhersehbare Auswirkung selbst überrascht, relativierte Merkel ihren Leitsatz und gab dann heuer zu, dass sie ihn „am liebsten kaum noch wiederholen mag.“
Ebenso auf drei Worte hatte der Präsidentschaftskandidat Obama im Wahlkampf 2008 seine Botschaft beschränkt: Yes, we can. Aufbruchstimmung beflügelte die Wähler, Zuversicht in ein Miteinander von Schwarz und Weiß machte sich breit. I have a dream, der Refrain in der Ansprache Martin Luther Kings von 1963, wurde manchem Wähler in Erinnerung gerufen. Nichts mehr vom damaligen Optimismus ist im derzeitigen Wahlkampf festzustellen, in dem ein Kandidat wie Trump, der einmal Präsident für alle sein möchte, alle beschimpft.
Je weniger Worte, desto größer die Wirkung; dies bewahrheitet sich in mancher Kurzbotschaft. Der „Sprachpapst“ Wolf Schneider liefert uns eine Erklärung. Unser Gehirn verarbeitet Gehörtes und Gelesenes in einer Art Kurzzeitspeicher, dessen Kapazität auf drei Sekunden beschränkt ist. Demzufolge sollte ein Satz den Umfang von sechs Wörtern bzw. zwölf Silben nicht überschreiten. Die Medien bedienen sich längst schon der Stiltechnik, wonach die Schlagzeilen auf drei Wörter reduziert sind. Als Kardinal Joseph Ratzinger im Jahre 2005 zum Papst gewählt wurde, war die Schlagzeile in der Bild-Zeitung nicht zu übersehen: Wir sind Papst. Christof Innerhofer errang bei der Weltmeisterschaft 2011 in Garmisch-Partenkirchen die Goldmedaille im Super-G. Prompt titelte das Gemeindejournal von Gais: Wir sind Weltmeister. Solche „Wir sind ...“ Schlagzeilen rufen uns die politische Parole Wir sind das Volk in Erinnerung, die während der Montagsdemonstrationen 1989/1990 in der DDR als Sprachchor gerufen wurde. Seit 2014 wurde dieser Aufruf zunehmend von rechtspopulistischen Pegida-Anhängern bei Aktionen gegen Asylbewerber verwendet. Mit dem satirischen Slogan Wirr ist das Volk reagierten Demonstranten gegen den Rechtspopulismus.
Mit dem legendären Los von Trient bei der Protestkundgebung 1957 auf Schloss Sigmundskron hat Magnago die Marschrichtung der zukünftigen Autonomiepolitik vorgegeben; es war der Anstoß für die politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung unseres Landes. Das Los von Rom haben sich mehrere Bewegungen auf die Fahne geschrieben, die das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol einfordern. Interessant ist nur, dass es eine „Los-von-Rom-Bewegung“ in Österreich bereits um 1900 gab, die zum Wechsel von der katholischen zur evangelischen und alt-katholischen Konfession aufrief.