Wie stehts mit der Händewaschmoral?
Im Sommer 2020 von Dr. Luis Fuchs
Händeschütteln ist derzeit ohne Wenn und Aber zu unterlassen, dafür ist Händewaschen angesagt. Vom Südtiroler Sanitätsbetrieb wird häufiges Händewaschen als unerlässliche Verhaltensregel zur Infektionsvorbeugung empfohlen. Beobachtungsstudien zeigen, dass sich viele – es sind vorwiegend Männer – nach dem Toilettenbesuch gar nicht die Hände reinigen. „Was Händewaschen angeht, ist der Mann ein Ferkel“, bringt das ZEITMAGAZIN die Händewaschmoral der Männer auf den Punkt. Mindestens zwanzig Sekunden sollten dafür aufgewendet werden, für manch einen dauert das eine gefühlte Ewigkeit. Eine Hygiene-Expertin gibt uns einen einfachen Tipp, um zwanzig Sekunden durchzuhalten: Das sei wie zweimal „Happy Birthday“ singen. Die Hygienevorschrift kann in kindgerechtem Ton lauten: Du sollst deine Hände gut waschen, dann kannst du wieder was naschen.
Das Händewaschen kennen wir nicht nur als Akt der Hygiene. In der Handlung des Händewaschens sah man einst ein Symbol der Schuldlosigkeit, es wurzelt im Glauben an die reinigende Kraft des Wassers. „Seine Hände in Unschuld waschen“ ist als Redewendung durch die Schilderung der Verurteilung Jesu im Matthäus-Evangelium bekannt. Auf die Forderung des Volkes, den unschuldigen Jesus kreuzigen zu lassen, wusch sich Pontius Pilatus in sprichwörtlicher Unschuld vor dem Volk die Hände mit den Worten: „Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache!“ Das Verhalten, durch Händewaschen das Gewissen zu erleichtern, wird auch als „Macbeth-Effekt“ bezeichnet. In William Shakespeares Drama stiftet Lady Macbeth ihren Mann dazu an, den König von Schottland zu ermorden, um dann selbst den Thron zu besteigen. Als das unheilvolle Werk vollendet ist, überkommt Lady Macbeth das schlechte Gewissen und sie wäscht sich die Hände, immer und immer wieder: „Wie, wollen diese Hände nimmer rein werden? Das riecht immer noch nach Blut!“
„Eine Hand wäscht die andere“, bringt anschaulich zum Ausdruck, dass für jede Leistung eine Gegenleistung erwartet wird. Die sprichwörtliche Redensart wird auf den Philosophen Seneca zurückgeführt, deren ursprüngliche Version „manus manum lavat“ lautet. Heute gebraucht man die Redewendung oft mit dem Nebengedanken, dass es sich bei bestimmten Gefälligkeiten um nicht ganz saubere Geschäfte handelt, die unbestraft bleiben, weil sich die Beteiligten nicht gegenseitig verraten. Goethe indessen sieht den Sinn der Redensart in einer rechtschaffenen gegenseitigen Hilfeleistung: