Wir leben auf Pump
Im Sommer 2019 von Dr. Luis Fuchs
Als Greta Thunberg noch keine öffentliche Person war, tauchte in Schwedens Zeitungen das Wort „Flugscham“ auf. Mit dem Fliegen beeinflusst der Mensch das Klima; wer sich dessen bewusst ist, fliegt mit zunehmend schlechtem Gewissen. Das neue Wort fand sogleich Anklang in den internationalen Medien, da es unmissverständlich zu Bewusstsein bringt: Der Mensch hat die Kontrolle über seinen ökologischen Fußabdruck verloren, und dessen schämt er sich. Wir entnehmen unserem Planeten mehr, als eigentlich vorhanden ist. Wir betreiben Raubbau an den Rohstoffen, verschmutzen zu viel Wasser, schlägern zu viel Holz, essen zu viel Fleisch, produzieren viel zu viel Kohlendioxid. Die Reserven der Erde gehen zur Neige, wir „erschöpfen“ sie wortwörtlich.
Im Lobpreis der Schöpfung gipfelte einst das Schaffen berühmter Künstler. Zeugnis davon gaben Michelangelo mit der Darstellung der Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle wie auch Joseph Haydn mit dem Oratorium „Die Schöpfung“. Dem gegenüber wird uns im „Welterschöpfungstag“ die traurige Bilanz der Ausplünderung unserer Erde vor Augen geführt: ein düsterer Abgesang der Schöpfung. Vom „Global Footprint Network“ wird jedes Jahr das genaue Datum des „Erdüberlastungstages“ errechnet. Heuer war es der 29. Juli, also drei Tage früher als letztes Jahr und sogar zwei Monate früher als vor zwanzig Jahren.
Rechnerisch hat die Menschheit die natürlichen Ressourcen der Erde für dieses Jahr schon verbraucht, lebt also ökologisch „auf Kredit“. Von Land zu Land gibt es beim Verbrauch der Reserven große Unterschiede. Laut Berechnung der Umweltschutzorganisation WWF hat das Emirat Katar den Überlastungstag bereits nach 42 Tagen erreicht. In Österreich waren die Ressourcen am 9. April verbraucht, in Deutschland am 3. Mai, in Italien am 15. Mai. Sollten die ökologischen Reserven wie Wasser, Holz, Land und saubere Luft der Menschheit weiterhin zur Verfügung stehen, wären 1,75 Welten notwendig; für die Bürger Italiens müssten beinahe drei Erden verfügbar sein und die USA bräuchten fünf Welten.