Wohl bekomm‘s!
Im Herbst 2020 von Dr. Luis Fuchs
„Da ist Hopfen und Malz verloren“, kommentiert mancher Bayer resignierend das abgesagte Oktoberfest. Anstelle der 6,3 Millionen Besucher und der 7,3 Millionen ausgeschenkten Maß Bier im vergangenen Jahr herrscht auf der Theresienwiese heuer gähnende Leere. Die Redensart bezieht sich auf die Bierbrauerei: Läuft der Gärprozess nicht ab wie geplant, ist das Bier ungenießbar und Hopfen und Malz sind futsch. Die Wendung, die selbst der Dichterfürst Goethe anführt, wird treffend für eine Situation benutzt, in der es nichts mehr zu retten gibt. Gescheiterte Lebensgestaltung ist im markanten Spruch abgefasst: Wer mit zwanzig nicht stark, mit dreißig nicht schön, mit vierzig nicht weise und mit fünfzig nicht reich ist, bei dem ist Hopfen und Malz verloren.
Einen Dämpfer hat die Brauerei-Branche von der deutschen Justiz versetzt bekommen. Die Allgäuer Brauerei Härle warb bisher auf den Etiketten mit der Eigenschaft „bekömmlich“. Das Landgericht Ravensburg untersagte nun der Brauerei, ihr Bier als „bekömmlich“ anzupreisen; dies sei rechtswidrig, weil die Bezeichnung eine Irreführung der Konsumenten darstelle. Das EU-Recht verbietet für Getränke mit mehr als 1,2 Prozent Alkohol Angaben, die eine Verbesserung des Gesundheitszustands suggerieren. Zum Schutz der Verbraucher dürfen Hersteller weder auf dem Etikett noch in der Werbung derartige Begriffe verwenden. Das Adjektiv „bekömmlich“ kann schon gesundheitsbezogen verstanden werden, denken wir etwa an ein „leicht bekömmliches“ Essen. Die Äbtissin Hildegard von Bingen empfahl schon im 12. Jahrhundert in ihrem Werk „causae et curae“: „Cervisiam bibat“, also „man trinke Bier“. Mit dem alten Trinkspruch „Wohl bekomm‘s“ wünschte man sich unbeschwertes Wohlergehen.
Deutsche Brauereien verwenden vermehrt den Begriff „Drinkability“, womit sie signalisieren wollen: Das Bier lädt zum Weitertrinken ein. Der Ausdruck lasse sich nicht einfach durch „Trinkbarkeit“, durch das Wort „süffig“ oder andere deutsche Wörter ersetzen, rechtfertigen sie sich. Der „Verein Deutsche Sprache“ (VDS) forderte kritische Leser auf, für das „drinkable“ Bezeichnungen aus dem deutschen Wortschatz vorzuschlagen. Es gingen originelle Anregungen ein wie „Das Bier mundet“, „Mundigkeit“, „Genussbier“, „Trinkgenuss“. Den Ausdruck „trinkiges Bier“ hat ein Gast in Südtirol aufgelesen.
In Olang lud ein Gastbetrieb zum Frühschoppen ein; dabei fiel die italienische Bezeichnung als „Shopping di Birra“ auf dem Plakat ins Auge. Zu einem „Einkauf von Bier“ werden sich italienische Gäste eher nicht hinreißen lassen. Eine Einladung zu einem kleinen „Oktoberfest“ wäre zielführender, denn Volksfeste nach Münchner Muster gibt es bereits weltweit. Das Oktoberfest in Qingdao (China) lockt jährlich rund drei Millionen Besucher an. Das „Oktoberfest Zinnzinnati“ ist das größte dieser Art in den USA, dabei gedenken die Einwohner von Cinncinnati alljährlich ihrer deutschen Vorfahren.