Gewöhnliche Rosskastanie
Aesculus hippocastanum L.
Im Frühling 2012 von Dr. Wilhelm Mair
Auf der Kurpromenade, in der Nähe der Postbrücke, stehen zwei Rosskastanienbäume, die zu den beeindruckendsten Bäumen der Stadt Meran gehören (R. Zeller, Meran: blühende Gärten, mediterrane Parks, romantische Promenaden; 2009) und als Naturdenkmal ausgewiesen sind. Im Jahre 1846 sind mehrere Rosskastanienbäume auf der „Wassermauer“ gepflanzt worden und die zwei monumentalen Bäume stammen wohl aus dieser Zeit, in der man auch begann, die Promenaden aufzuwerten und Ruheplätze für die Kurgäste zu schaffen.
Die Rosskastanie war ursprünglich über ganz Europa verbreitet, zog sich aber in der letzten Eiszeit auf die Mittelgebirge Griechenlands, Mazedoniens und Albaniens zurück, wo sie in zerstreuten Arealen zu finden ist. Vor rund 450 Jahren verbreiteten die Türken den Baum, dessen Früchte sie als Futter und Heilmittel für die Pferde mitführten, wieder in Mitteleuropa; im Jahre 1576 brachte ein österreichischer Gesandter Samen nach Wien, von wo aus dann Früchte in alle Länder Europas versandt wurden. Die Rosskastanie wurde zunächst als Zierbaum in fürstlichen Parkanlagen und Alleen, später häufig in den neu entstehenden Volksgärten und bei den Bierkellern als Schattenspender angepflanzt.
Die Gewöhnliche Rosskastanie, auch Gemeine und Weiße Rosskastanie genannt, ist ein sommergrüner Baum mit Wuchshöhen bis zu 25 m. Der in der Jugend raschwüchsige Baum hat einen kräftigen, kurzen Stamm und eine hochgewölbte, dicht verzweigte Krone. Das starke und weitreichende Wurzelwerk macht den Baum sturmfest (Flachwurzler). Der Stamm zeigt häufig einen Drehwuchs nach rechts. Die Rinde ist rotbraun bis dunkel graubraun und löst sich in Streifen und Platten ab. Auffallend sind die großen, rotbraunen, glänzenden und klebrigen Winterknospen. Im Frühling entfalten sich die gegenständig an den Sprossen stehenden Blätter fingerförmig und braun wollig. Sie sind gestielt, am Rande gesägt, oberseits satt grün, unterseits heller mit filzigen Adern. Im Herbst verfärben sie sich gelborange bis bräunlich. Das auffallendste Merkmal der Rosskastanie sind die Blüten, die zu vielen auf den aufrecht stehenden Blütenständen („Kerzen“ genannt) sitzen und sich während oder kurz nach dem Austrieb der Blätter entfalten. Bemerkenswert ist die Blütenbiologie: Die beiden oberen weißen Kronblätter haben zu Beginn der Blüte, das ist während der Nektarproduktion, einen gelben Farbfleck („Saftmal“ genannt), verbunden mit einem bestimmten Geruch, der den Bienen und Hummeln zur Orientierung für die günstigste Zeit des Blütenbesuches dient. Nach der Bestäubung hört die Nektarproduktion auf, der Fleck färbt sich rot und die Blüte wird fast nie mehr angeflogen. Im Herbst reifen die je nach Sorte mehr oder weniger stacheligen Kapselfrüchte, die vom Baum fallen, aufplatzen und 1-3 braune und glänzende Samen freigeben. Die Rosskastanien sind für den Menschen ungenießbar.
Die Gewöhnliche Rosskastanie reagiert empfindlich auf die Streusalze im Winter und ist anfällig für die Rosskastanien-Miniermotte. Beide Faktoren bewirken eine frühzeitige Gelbfärbung der Blätter.
Die Rotblühende Rosskastanie (Aesculus × carnea) ist eine Hybride zwischen der Gewöhnlichen Rosskastanie und der nordamerikanischen Roten Rosskastanie (Aesculus pavia). Sie wird in Mitteleuropa häufig in Parks gepflanzt, blüht etwas später fleischrot bis rot. Leuchtend dunkelrot sind die Blüten der Sorte „Briotii“. Die im Austrieb nicht wollig behaarten, etwas derben Blätter entspringen aus fast nicht klebrigen Winterknospen und verfärben sich im Herbst kaum.