Zwei immergrüne Ziersträucher mit besonderen Blättern
Im Winter 2014 von Dr. Wilhelm Mair
Speziell ausgebildete Blätter, man nennt sie Phyllokladien, Flachsprosse oder Scheinblätter, sind das charakteristische Merkmal von zwei nahe miteinander verwandten, immergrünen Sträuchern: dem Stechenden Mäusedorn und dem Traubendorn. Phyllokladien sind flächig verbreiterte Kurztriebe und übernehmen die Funktion der echten Blätter, die zu sehr kleinen, bräunlichen Schuppen reduziert sind und früh abfallen. Auch besitzen die Pflanzen unterirdische Sprossachsen (Rhizome), die Wurzeln tragen und mit denen sie sich vermehren können. Diese Merkmale sind kennzeichnend für die Familie der Spargelgewächse (Asparagaceae), in die sie eingeordnet werden.
Der Stechende Mäusedorn (Ruscus aculeatus L.) ist rund um das Mittelmeer bis Vorderasien heimisch. Er kommt bei uns wild wachsend in größeren Beständen als Unterwuchs der flaumeichenreichen Buschwälder in den südexponierten Sonnenhängen des Etschtales bis Vilpian vor.
Der höchstens 1 m hohe, horstig wachsende Strauch hat steife und aufrechte grüne Sprosse, deren blattartig abgeflachten Seitenzweige in einer feinen, stechenden Spitze (lat. aculeatus = zugespitzt) auslaufen. Auf diesen „Blättern“ entspringen aus der Achsel eines ebenso kleinen Blättchens etwa 5 mm große, unscheinbare, gelblich weiße, eingeschlechtige Blüten. Die Staubfäden sind röhrig verwachsen und purpurn. Die Früchte sind glänzende, rote Beeren, die durch Drehen der Flachsprosse auf deren Unterseite zu sitzen scheinen. Sie bleiben über dem Winter am dunkelgrün gefärbten Strauch und heben sich lebhaft von den fahlgelben Blättern des Buschwaldes und den abgestorbenen Gräsern und Kräutern ab. Die Beeren gelten als leicht giftig. Die jungen Wurzelsprosse wurden früher als Gemüse gegessen, so wie jetzt der verwandte Spargel.
Der deutsche Name „Mäusedorn“ rührt wahrscheinlich daher, dass die Bauern Zweige mit den stacheligen Blattsprossen ausgelegt haben, um Mäuse von Vorräten fernzuhalten. In der Bozner Gegend ist die Pflanze als „Kosmaskraut“ bekannt und wurde früher an der Eingangstür zum „Buschen“ befestigt. Die grünen Zweige mit den dekorativen Beeren werden in manchen Gegenden als Weihnachtsschmuck und in Trockensträußen verwendet.
Die getrockneten Wurzeln werden seit der Antike als Arzneipflanze verwendet. Die Wirkstoffe in Wurzelextrakten besitzen entwässernde, gefäßverengende und entzündungshemmende Wirkung und werden standardisiert in zahlreichen Fertigpräparaten zur unterstützenden Therapie u.a. bei Venenschwäche, Durchblutungsstörungen und Hämorrhoiden verwendet.
Vorkommen: am Tappeinerweg, an der Gilfpromenade, in den Gärten von Schloss Trauttmansdorff.