Die Pestizid-Volksabstimmung in der Gemeinde Mals
Im Herbst 2014 von Dr. Johannes Ortner
Das Malser Wahlvolk hat gesprochen, und zwar deutlich: Nach über zwei Wochen Abstimmungszeit und einer Wahlbeteiligung von fast 70 Prozent hat sich Anfang September eine satte Mehrheit von 75,68 % für ein Pestizid-Verbot ausgesprochen.
Insgesamt 3348 Bürgerinnen und Bürger gaben die Richtung vor, in die sich der rasant wachsende Obstbau im Obervinschgau bewegen sollte: nämlich hin zu weniger Umweltgift und mehr Nachhaltigkeit, hin zu einem gleichberechtigten Nebeneinander von Viehwirtschaft, Kornanbau, Apfel- und Kirschanlagen. Marillenänger, Beerenobst- und Gemüsekulturen, Kräutergärten und Bienenstände, sie alle sollten sich in friedlicher Koexistenz üben!
Ganz schön viele Interessen, die da unter einen Hut gebracht werden müssen: Heimatpfleger und Touristiker sehen den landschaftlichen Reiz des Obervinschgaus in Gefahr, die neuen Beregnungsanlagen führen zum fortschreitenden Verfall der uralten Waale. Biobauern und Grünlandwirte sehen sich durch die Abdrift der Spritzmittel – dr pocknarrische Vintschgr Wind aft Multn – in ihrer Glaubwürdigkeit und damit Existenz bedroht. Wer war zuerst da? Die Viehbauern oder die neuen Herren aus dem Mittelvinschgau, die sich während der Hochkonjunktur des Golden Delicious eine goldene Nase verdienten und sich nun – dank Klimaerwärmung und Frostberegnung – an den Fluren des Obervinschgaus vergreifen?
Viele Malserinnen und Malser bedauern, dass im Vorfeld der Wahl die Kampagnen der Pros und Contras viel böses Blut in der Großgemeinde Mals erzeugt hätten. Auf der Seite der Wahlsieger steht das Promotorenkomitee für eine pestizidfreie Gemeinde Mals rund um den Apotheker Johannes Fragner-Unterpertinger: Für ihn und viele akademische Mitstreiter, Tierärzte, Humanmedizinerinnen, Apotheker und Biologinnen, geht es um einen schonenden Umgang mit Boden, Gewässer und Insekten (z. B. Schmetterlinge; Bienen). Auf die hohe Toxizität vieler Pestizide weist ein eigens herausgegebenes Manifest hin. So ging es beim Referendum vor allem um das Verbot chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel – ausdrücklich nicht um die biologisch abbaubaren. Weiters betonen die Referendums-Promotoren, dass es – vom Standpunkt des sozialen Friedens her gesehen – ebenso um das gleichberechtigte unbeschadete Ausüben verschiedener Wirtschaftsformen im Gemeindegebiet gehe.
Als „Gegenpart“ zum Promotorenkomitee hat sich die Plattform Bäuerliche Zukunft Mals gebildet. Sie argumentiert vor allem mit der bäuerlichen Zukunft der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Mals, die verstärkt auf Spezialkulturen wie Beeren-, Gemüse- und Obstbau angewiesen sei, unterstreicht der Malser Landtagsabgeordnete Josef Noggler. Um konkurrenzfähig zu bleiben, wolle man nach den Richtlinien des „integrierten Anbaus“ wirtschaften, also in konventionellem Sinne durchaus spritzen. Josef Heinisch, Gemeindearzt von Schluderns und ebenfalls Malser, betont, dass die Spritzmittel heute durch mehrere Prüfungsstadien gingen und deren Ausbringung bei sachgemäßem Umgang durchaus zu vertreten sei. Die Plattform verspricht außerdem, dass – um die Abdrift der Spritzmittel zu vermeiden – ein Sprühabstand zu sensiblen Zonen wie Kindergärten, Schulen, Radwege und Spielplätze eingehalten würde. Außerdem könne eine etwaige Beeinträchtigung durch das Setzen von Hecken, eine Abdrift reduzierende Sprühtechnik sowie den Spritzverzicht bei Wind minimiert werden. Im Übrigen wurden auch Stimmen laut, die meinten, dass der Biolandbau nicht „von oben“ oktroyiert werden könne, sondern aus persönlicher Überzeugung heraus „von unten“ her wachsen müsse.