Erfahrungsbericht eines Covid-19 Überlebenden (9)
Im Frühling 2021 von Leo Matzneller
Der Genesungsprozess
Im letzten Beitrag schilderte ich, wie ich wieder physische Energie spürte, dass Ärzte und Pflegerinnen und meine Angehörigen mir Mut machten und leichte Besserung eintrat. Nach ein paar Wochen kehrte das Zeitgefühl zurück. Ich wusste, was für ein Wochentag gerade war, was für ein Monatstag. Ich begann interessiert zu beobachten, was um mich herum geschah. Ich vermochte mich im Bett zu bewegen, Position zu wechseln, mich zu drehen. Manchmal mit Mühe, aber es gelang. Am Bettrand aufzusitzen gelang bald öfters. Doch der Husten plagte mich noch lange, Essen blieb nach wie vor mühsam. Eine gewisse Ungeduld packte mich, wenn ich auf die Uhr schaute und die Zeiger einfach nicht weiterrückten. Lang waren die Nächte, die zweite Hälfe lag ich meist wach.
Langsame Fortschritte
Mein Zustand verbesserte sich, langsam zwar, aber sichtbar. Die Beatmungsmaschine wurde überflüssig, die Sauerstoffzufuhr konnte gedrückt werden. Befreiend war die Entfernung der Tracheal-Kanüle, am 1. Juni. Und am 4. Juni – nach vier Wochen – kam ich aus der Intensivstation in die Abteilung Medizin I. Zwölf Tage war ich dort. Physiotherapie, die Lungenmassage einer tüchtigen Logopädin und die Hilfe einer Psychologin stärkten mich physisch und psychisch. Bald suchte mir die zuständige Ärztin einen Platz in einer REHA: im Krankenhaus Brixen.
In der REHA in Brixen
So war ich guter Dinge, als ich in Brixen eintraf. Zwar vermochte ich immer noch nicht allein aufzustehen, und gehen konnte ich keinen Schritt, aber die Aussicht, dass sich das bald ändern würde, tröstete mich. Nach etwa 10 Tagen gelang der erste Schritt, mit Unterstützung. Und ich wusch mich allein, wurde selbständig beim Toilettengang, u.a. Das gab Auftrieb: endlich wieder halbwegs unabhängig! Die Therapiestunden brachten fast regelmäßig kleine Fortschritte. Die Therapeuten und Pflegepersonen, alle sehr freundlich, sparten nicht mit Anerkennung. Ich übte fleißig: Hände, Finger, Beine und Zehen bewegen, die Fingerfertigkeit neu einüben, die Muskeln stärken durch Training. Und das 50 Tage lang! Das Essen schmeckte, der Appetit fehlte nicht. Mit der Zeit fühlte ich mich fast wie in einer Urlaubspension. Ich erstarkte auch seelisch. Die Pflegerinnen wurden mir vertraut, man sah sich immer wieder am Tag oder in der Woche. Die Fortschritte waren augenscheinlich. Nach 50 Tagen ging‘s nach Hause. Insgesamt 140 Tage war ich krank gewesen.