Passerella M. Lutero
Im Winter 2018 von Dr. Johannes Ortner
Seit dem Anbringen des zweisprachigen Schriftzugs „Martin-Luther-Steg“ / „Passerella M. Lutero“ am bis dato namenlosen Steg, haben viele Deutschsprachige ihr Befremden gegenüber der italienisierten Form „Lutero“ ausgedrückt und ihrem Ärger in Leserbriefen und Online-Kommentaren Luft gemacht. Zu lebhaft ist die Zwangsitalienisierung der deutschen Vor- und Familiennamen unter dem Faschismus noch in Erinnerung. Ist der Unmut also nachvollziehbar? Geht die Italienisierung deutscher Namen nun wieder von vorne los? Sogar das Landesmuseum Schloss Tirol titelte im Ausstellungskatalog „Lutero e il Tirolo“!
Dazu einige Bemerkungen zu einem Sachverhalt, welcher der (deutschsprachigen) Bevölkerung Merans wenig bekannt sein dürfte: Durch das europäische Mittelalter hindurch bis herauf in die Neuzeit gab es die Gepflogenheit, die Vor- und Familiennamen historischer Persönlichkeiten an das Lautsystem der eigenen Sprache anzugleichen. Besonders in romanischsprachigen Ländern war dies weit verbreitet. So ist der deutsche
Astronom Johannes Kepler in ganz Italien als Giovanni Keplero bekannt, der Reformator Martin Luther eben als Lutero – in beiden
Fällen mit Akzentwechsel. Im deutschen Sprachgebiet hingegen sind die Herren Niklas Kopernick oder Nikolaus Cryfftz (Krebs) unter ihren universalistischen lateinischen Namensformen Kopernikus bzw. Cusanus weit bekannter.
Aber auch im Deutschen finden wir Beispiele für die Praxis der Angleichung: Cristóbal Colón, ein in Diensten der spanischen Krone stehender Seefahrer, ist als Cristoforo Colombo 1451 in Genua geboren. Die U-Bahn-Station in München hört dennoch nur auf den Namen „Kolumbus-Platz“. Gerade bei Taufnamen wurde die entsprechende Namensform an das eigene Pendant angeglichen. Wir bewundern die Bilder Raffaels (Raffaello Sanzio) und Tizians (Tiziano Vecellio), die Franzosen jene von Michel-Ange (Michelangelo). Anweisungen von Pope Francis befolgen die katholischen US-Amerikaner, dessen Vorgänger von den Frankophonen Benoît XVI. genannt wird. Auf italienischer Seite wurden die Vornamen Mozarts und Goethes lange Zeit als „Volfango“ wiedergegeben – mittlerweile bevorzugt man die authentischen Taufnamen.