Schulreform?
Zentralisierung statt Allgemeinbildung. Der versteckte Sparkurs des Landes. Direktor Martin Holzner vom Pädagogischen Gymnasium Meran erklärt, worum es beim Reformversuch geht.
Im Herbst 2010 von Gudrun Esser
Die Reform basiert auf einer staatlichen Vorlage. Diese sieht eine Aktualisierung der Unterrichtsmethoden vor. Nachdem die Unterstufe diesen Weg bereits vollzogen hat, soll jetzt auch die Oberstufe reformiert werden. Nur die Interpretation der Landesregierung klingt wie ein Rückschritt zum einen, zum anderen wie der erste Schritt in eine Zwei-Klassen-Bildungsgesellschaft. Ganz so, als wolle man während der Fahrt eines durchaus gut besetzten und gut ausgestatteten Zuges einfach ein oder zwei Waggons auskoppeln. Im April des Jahres wurde bereits eine Bezirksumfrage zum Thema gestartet, dann kam vom zuständigen Amt kein Lebenszeichen mehr in Sachen Reform. Keine Sitzung, kein vertiefendes Gespräch. Bis die zuständige Schullandesrätin Sabina Kasslatter Mur Ende September mit einem neuen Gesetz überraschte. Ausgearbeitet mit dem Schulamt, ohne jegliche Spur der Ideen, die man im Rahmen der Befragung geäußert hatte. Daraufhin protestierten auch die Direktoren der Meraner Oberschulen und deren Schüler.
Einer der standhaften und zugleich engagierten Widersacher ist Martin Holzner, der Direktor des Pädagogischen Gymnasiums Meran.
„Eine Oberstufenreform ist dringend notwendig, aber nicht so!“
Martin Holzner
„Derzeit haben wir mit dem Pädagogischen Gymnasium einen Schultyp, der allgemein bildend ist und drei Fachrichtungen anbietet: Sozialwissenschaften, Musik und Kunst. Die Landesregierung sieht jetzt vor, sowohl Musik als auch Kunst zu streichen“, sagt Holzer. Auch seine Kollegen vom Humanistischen Gymnasium, mit dem Schwerpunkt Sprachen, seien der Ansicht, dass Musik und Kunst zum schulischen Angebot dazu gehören müssen. Die schulischen Vertreter seien aber nicht die Einzigen, die Wert auf Allgemeinbildung legten, diese Forderung kommt auch von den Unternehmen, aus der Arbeitswelt. Wichtiger sei es, wenn das Interesse der Schüler vielseitig geweckt würde, sie mehrere Sprachen beherrschten und selbstbewusst ins Berufsleben treten. Das Fachwissen, so die Meinung der Experten, käme dann während der beruflichen Ausbildung oder des Studiums. Die Erfahrung der letzten Jahre am Pädagogischen Gymnasium zeige, dass Kunst, Musik oder auch Tanztheater nicht nur wichtiger Ausgleich zu anderen Fächern war, sondern so bestimmte Themen auch vertieft werden konnten. Insofern habe man der staatlichen Reformidee sogar vorgegriffen: Mit neuen Methoden und fächerübergreifenden Projekten hat man Schülern nicht nur Lernstoff vorgesetzt, sondern mit ihnen gemeinsam Wissen erarbeitet. Aber genau das würde durch den Vorschlag der Landesrätin wieder demontiert. Dem nicht genug, wertvolle Vorarbeit würde jetzt bestraft, sagt Holzner: „Unter meinem Vorgänger Anton Ladurner hatte unsere Schule bereits Vorbildcharakter, weil wir Teile der Reform umgesetzt hatten, bevor es überhaupt eine staatliche Reform gab!“
„Im Prinzip arbeitet die Kultur- und Schullandesrätin mit ihrem Entwurf gegen die Reform.“
Martin Holzner
Das, was bislang allgemeinbildend an den Schulen angeboten wurde, soll wegrationalisiert werden. Musikunterricht würde dann nur noch an der Musikschule angeboten werden, auch für den Kunstunterricht müssten Schüler größere Schulwege oder gar Reisen in Kauf nehmen. Gerade auch bei der musikalischen Ausbildung ziehe das zusätzliche Verluste mit sich, denn die Musikschulen seien nach Ansicht von Martin Holzner nie imstande, die Theorie derart zu vermitteln, wie dies zurzeit am Pädagogischen Gymnasium erfolge. „Und selbst wenn die Musikschule diese Lücke morgen schließen könnte, fehlt an den Oberschulen das fächerübergreifende Angebot!“ Im Moment verbindet man die Fächer miteinander, das heißt, ein Thema kann vielseitig beleuchtet werden, damit findet jeder Schüler einen individuellen und damit auch attraktiveren Zugang zu den Themen. Kunst- und Musikunterricht sind keine elitäre Angelegenheit. Im Moment kann jeder Schüler dieses Angebot nutzen, das gleichzeitig auch ein Stück Schulkultur bedeutet. Diese ginge mit dem neuen Reformgesetz des Landes verloren, befürchtet Holzner.
„Mit der Südtiroler Interpretation der Reform stirbt ein Teil der Schulkultur!“
Martin Holzner
Ist das Landesgesetz also eine getarnte Sparmaßnahme? Italienweit hatte man sich zu Einsparungen bereits offen bekannt. Landesrätin Kasslatter Mur allerdings hatte verkündet, dass man in Südtirol keinesfalls im Bildungswesen den Rotstift ansetzen wolle. Werden nämlich Fächer an Schulen gestrichen, kann man langfristig auch Personal sparen. „Das ist sicherlich ein Hintergedanke, der bislang jedoch nicht klar ausgesprochen wird,“ ist der Direktor des Pädagogischen Gymnasiums Meran überzeugt. Die Landesrätin betone lediglich, autonomiepolitisch zu argumentieren. Ein Versuch also z.B. die Musikfachrichtungen an den staatlichen Schulen fallen zu lassen und einem Institut der Provinz zu übergeben.