Warum nicht auch einen Brief an Olaf?
Eine vorweihnachtliche Satire
Im 2021 von Robert Asam
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
es ist mir ein Anliegen, Ihnen zu danken. Ich könnte das natürlich auch in Form eines an Sie persönlich gerichteten Briefes machen, diskret eben. Aber dann würde niemand wissen, dass ich Ihnen danke. Ich gestehe, ein bisschen peinlich ist es mir schon, also nicht, dass ich meinen Dank in einer Zeitung veröffentliche, sondern dass ich das in dieser nicht ganz so wichtigen Zeitung mache. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Ich verfüge nicht über die finanziellen Mittel, in großen überregionalen deutschen Tageszeitungen zu inserieren. Sehen Sie es mir also nach, dass ich Ihnen im „Meraner Stadtanzeiger“ danke, der mir diesen Platz zur Verfügung gestellt hat, so dass ich nicht auf öffentliche Gelder zurückgreifen musste.
Herr Bundeskanzler, Sie haben vermutlich in den letzten – sagen wir – acht bis zehn Jahren nicht in Ulan Bator in einem Hochhaus mongolische Stutenmilch getrunken und haben sich auch nicht in Rio de Janeiro mit zwei Dutzend halbnackten Männern auf einem Selfie verewigt. Letzteres würde Ihnen schon allein die hanseatische Zurückhaltung verbieten. Aber Sie haben viel gesehen, in unserem schönen Südtirol, wahrscheinlich mehr als Ihre Vorgängerin. Und trotzdem wurden Sie beim Versand der Vorweihnachtspost an treue Gäste einfach vergessen. Dieses Versäumnis möchte ich hiermit nachholen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben Sexten gesehen, die Drei Zinnen, waren in Algund, auf dem Vigiljoch, sogar eine Meraner Zahnarztpraxis von innen. Und wenn mich nicht alles täuscht, waren Sie auch in Sulden. Ob Sie dort Reinhold Messner getroffen haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Und um Frau Merkel zu treffen, sind Sie bestimmt nicht nach Sulden gefahren. Ganz sicher aber weiß ich, dass Sie vor sechs Jahren – damals noch als Hamburgs Oberbürgermeister – zu Gast in Schenna waren und hoch über Südtirols schönstem Fremdenbetten-Ensemble die Aussicht ins Tal genossen haben. Wenn Ihnen in Schenna eine Weinkönigin begegnet ist, würde mich das nicht wundern, wenn auch nicht eine Fränkische.
Sie waren auch am Gardasee, habe ich gelesen. Da hätte ich allerdings eine Bitte: Würden Sie den deutschen Journalisten-Kollegen in Hamburg und Umgebung nahelegen, zu differenzieren. „Italienurlaub“ beim Taser, das klingt nicht gut. Wir sind da ein bisschen empfindlich, wir Südtiroler*innen. Aber das nur so nebenbei.
Ich bin sicher, Sie müssen nicht 16 Jahre Bundeskanzler sein, damit sich „Ihr Südtirol“ bei Ihnen meldet. Im Gegenteil, es könnte sogar ein bisschen viel werden. Denn nun wissen alle, was für ein treuer und begeisterter Südtirol-Urlauber Sie sind, Herr Bundeskanzler, und Sie werden sich vor Einladungen kaum retten können. Ich wünsche Ihnen bei der Auswahl eine glückliche Hand und natürlich frohe Weihnachten und viel Spaß mit der Ampel,
Ihr Robert Asam,
Genussland-Bürger aus Meran bei Schenna