Chinas Macht
Im Frühling 2009 von Ulrich Ladurner
Haben Sie sich schon einmal vor China gefürchtet? Nein?! Na gut, aber bestimmt haben Sie schon mal in einem Spielzeugladen nach einem Geschenk gestöbert und festgestellt, dass auf jedem Spielzeug, das sie in die Hand nahmen, „Made in China“ stand. Waren Sie da etwas besorgt? Ein bisschen, nicht wahr? Und als Sie in einem Sportgeschäft ebenfalls nur Waren „Made in China“ fanden, da wuchs ihre Sorge. Schließlich lasen Sie in den Zeitungen, dass das mächtigste Land der Welt, die USA, bei den Chinesen tief in der Kreide steht; als sie dann gesehen haben wie zurückhaltend, ja geradezu leise, US-Präsident Barack Obama bei seinem Besuch in Peking seinem Kreditgeber entgegentrat, da ist Ihnen mulmig geworden. Diese neue Macht Chinas ist Ihnen gewiss unheimlich.
Die Angst vor China ist nicht neu. Wir kennen Sie in der Regel noch unter dem Namen „Die Gelbe Gefahr“. Das ist eine in den westlichen Gesellschaften immer wieder kehrende Verallgemeinerung, die dunkel andeutet, dass uns aus dem Osten Schlimmes droht. Mit „gelb“ ist ganz grob Asien gemeint, wobei die Grenzen Asiens ganz und gar unbestimmt blieben. Für manche, wie dem langjährigen deutschen Kanzler Konrad Adenauer, begann „die asiatische Steppe bereits östlich der Elbe.“ Asien – das ist also keine geografische Kategorie, sondern eine politische. Sie wird gerne dazu benutzt, um die Angst vor allem Fremden zu schüren. Manchmal mit großem Erfolg. 1974 zum Beispiel erschien ein Buch eines französischen Autors mit dem Titel: „Wenn sich China erhebt, erzittert die Welt!“ Das Buch ist in guter Absicht geschrieben, doch spielte es mit unseren Ängsten vor dem Riesen aus dem Osten. Innerhalb kürzester Zeit wurde es in verschiedenen europäischen Ländern ein Bestseller. Der Titel ist übrigens ein Zitat: „Wenn sich China erhebt, erzittert die Welt!“ Das hatte Napoleon vor mehr als zweihundert Jahren gesagt.
Und was ist nun: Müssen wir vor China zittern? Die Antwort lautet: Nein, müssen wir nicht. Man sollte sich im Gegenteil darum bemühen, dieses fremde Land kennenzulernen. Vieles wird uns nicht gefallen, zum Beispiel der Umgang des chinesischen Regimes mit den Menschenrechten. Doch ändert das nichts daran, dass wir an China nicht mehr vorbeikommen. Jeder Einkaufsbummel beweist uns die wirtschaftliche Macht des Riesenreiches. Und was die politischen Ambitionen betrifft. China will seine Produkte verkaufen, es will Geld machen. Die Welt nach dem eigenen Bilde gestalten – so wie es der Westen in den vergangenen zweihundert Jahren tat – das will China nicht, jedenfalls bisher nicht.