Gier
Im Frühling 2010 von Ulrich Ladurner
Öl ist die Sucht unserer Zeit. Wohin das führt, können wir derzeit im Golf von Mexiko beobachten. Seit sechs Wochen sprudelt Rohöl aus einem Bohrloch in 1500 Metern Meerestiefe. Die Ingenieure des verantwortlichen Konzerns BP haben kein Mittel gefunden, das Loch zu stopfen. Sie sind ratlos. Wir haben es mit einer wahrlichen Ölpest zu tun. Und ihr Ende ist nicht absehbar.
So schockierend das ist, so wenig überraschend kommt es. Seit Jahren warnen Experten vor den Risiken von Tiefseebohrungen. Die kritischen Stimmen fanden kein Gehör. Zu viel Geld können Ölkonzerne mit der Förderung machen, zu groß ist die Abhängigkeit unserer Gesellschaften vom schwarzen Gold. Die gesamte Weltwirtschaft wird mit Öl geschmiert. Der Hunger danach scheint unstillbar. Es gibt sehr konkrete Pläne wie man Rohstoffe in noch größeren Tiefen anzapfen könnte. Auch in der Arktis soll Gas und Öl gefördert werden. Angesichts der Katastrophe vom Golf klingt das beängstigend.
Es ist Zeit zur Umkehr. Es ist Zeit, unsere Abhängigkeit vom Öl zu beenden. Diese Erkenntnis hat sich schon seit Jahren durchgesetzt. Politiker reden darüber, Journalisten schreiben es, Menschen auf der Straße stimmen ihnen zu: Weg vom Öl! Weg von fossilen Brennstoffen! Hin zu erneuerbaren Energien!
Geschehen ist trotzdem nicht sehr viel. Warum? Eine Antwort darauf ist, dass unsere Gesellschaften nicht lernfähig sind. Tatsächlich kommen viele zu dem Schluss. Aber er ist falsch. Menschen haben immer wieder Lehren aus Katastrophen gezogen. Gesellschaften haben sich angepasst und aus Fehlern gelernt. Ein Beispiel? Die Europäische Union. Sie ist der lebendige Beweis dafür, dass die Europäer aus ihrer Geschichte der endlosen Kriege die richtigen Schlüsse gezogen haben. Die EU war die ultimative Antwort auf den Zweiten Weltkrieg. Warum sollte etwas Ähnliches nicht im Blick auf unsere Abhängigkeit vom Öl gelingen? Könnte die Katastrophe vom Golf nicht einen ähnlichen heilsamen Schock auslösen wie es der Zweite Weltkrieg getan hat?