Die armen Viecher - das gute Fleisch ...
Im Sommer 2014 von Waltraud Holzner
In früheren Zeiten wurde viel weniger Fleisch gegessen und in den Ländern der Dritten Welt ist es auch heute noch eine Mangelware. Die Wohlstandsgesellschaft bedient sich aber großzügig an diesem Produkt. Umweltschützer und Ernährungsforscher warnen vor dem überdimensionierten Angebot an Fleisch. Um den Hunger in der Welt zu reduzieren, müssten die Weideflächen für Ackerbau genutzt werden, ganz abgesehen von der Methangas-Belastung, die die Tierhaltung verursacht. Aber natürlich ist Fleisch seit Urzeiten eine wichtige Nahrungsquelle des Menschen und es kann wohl behauptet werden, dass die systematische Nutzbarmachung von Pflanzen und Tieren den Beginn der menschlichen Zivilisation bewirkte. Aus nomadisierenden Sammlern und Jägern wurden sesshafte Ackerbauern und Viehzüchter. Fleisch spielte immer eine wichtige Rolle, denn Fleisch enthält wertvolle Proteine. Bei der Frage nach rein pflanzlicher Nahrung sind sich die Ernährungswissenschaftler zwar nicht einig, aber die meisten plädieren doch für einen maßvollen Verzehr von fleischlicher Nahrung. Und so muss geschlachtet werden.
Schlachtung – ein unangenehmes Wort. Wenn es zur Unzeit, also beim Verzehr eines Hendlhaxls oder eines Schnitzel durchs Gedächtnis geistert, kann es bei einem sensiblen Menschen schon Wehmut bewirken. Der pragmatisch Denkende hingegen genießt ohne Bedenken und stillt seinen Appetit im Bewusstsein, dass sich das Schicksal des Tieres längst ohne sein Zutun entschieden hat und das Fleisch, wenn nicht auf seinem, dann auf einem anderen Teller gelandet wäre.
Tatsache ist, dass den Menschen einige Merkmale seiner körperlichen Beschaffenheit, zum Beispiel sein Gebiss, als „Allesfresser“ ausweisen. Da Löwen und Tiger eher selten sind, stehen wir Menschen ziemlich am Ende der Nahrungskette. Aber weil wir nicht nur mit dem erwähnten Gebiss, sondern auch mit moralischen Vorstellungen ausgestattet sind, bereitet der Fleischverzehr manchem von uns Probleme. Glauben Sie nicht, das wäre nur heute so. Bei vielen Naturvölkern war es üblich, sich beim erlegten Tier - das immerhin Chancen hatte zu entkommen - zu entschuldigen und sich für die Hingabe seines Lebens zu bedanken. Mit dem Erben oder Erwerben eines Hofes wird nicht nur eine Liegenschaft übernommen, sondern untrennbar auch ein Beruf. Ein Vieh züchtender Bauer kann sich keine Sentimentalitäten leisten. Aber er kann dafür sorgen, dass seine Tiere ein artgerechtes, gutes Leben und einen Tod ohne Schmerzen und Qualen haben.
Das Schlachten geschieht heute zumeist in Schlachthöfen, weitab von unseren Blicken, hygienisch einwandfrei und streng geregelt nach EU-Vorschriften. Diese Anonymität bewahrt uns vor lästigem Grübeln. Bei den Bergbauern und in abgelegenen Gebieten wird auch jetzt noch am Hof geschlachtet, nicht nur das Kleinvieh wie Hühner und Kaninchen, Schafe und Ziegen sondern auch Schweine und sogar Rinder.
Frau Theresia Ausserer Holzner, aus Tschars im Vinschgau stammend, und ihr Mann, Herr Alois Holzner aus Lana können von den Hausschlachtungen erzählen, die früher auf ihren Heimathöfen stattfanden.
Der erste „Fåck“ wurde zwischen Allerheiligen und Weihnachten geschlachtet, der zweite vor Lichtmess. Vor der Erntezeit waren die Schafe an der Reihe und Rinder wurden nach Bedarf geschlachtet. Sollte ein Schwein geschlachtet werden, bekam es zwei Tage weniger Futter, um den Darm zu entleeren. Das Tier wurde aus dem Stall geführt, an seinen Rüssel wurde ein Seil gehängt, an dem man zog. Das Schwein widersetzte sich dem Zug und nahm damit eine Körperstellung ein, die einen gezielten Schlag auf den Kopf ermöglichte, um es zu betäuben. Lag das Schwein bewusstlos am Boden, wurde es gestochen. Das auslaufende Blut wurde sogleich in eine Schüssel aufgefangen und so lange gerührt, bis es vollständig erkaltet war. So wurde die Gerinnung verhindert. Aus dem Blut wurden Blutwürste gemacht, manche Bäuerinnen verstanden sich auch auf die Zubereitung von Blutknödeln und Blutriebel. Diese Art des Hausschlachtens gehört jedoch der Geschichte an, heute wird das Tier mit einem Bolzenschussapparat betäubt, was einen schmerz- und angstfreien Vorgang garantiert.
Nach dem Ausbluten wurde um das Schwein eine Kette gebunden, damit man es wenden konnte. Dann wurde es in eine Wanne gelegt und mit heißem Wasser, dem man Kolophoniumgranulat beimengte, übergossen. Das Wasser durfte nicht zu heiß und nicht zu kalt sein. Erst mit der Kette, dann mit einem Messer wurden die Haare und Borsten von der Haut geschabt. Wenn ein Bürstenbinder seinen Bedarf angemeldet hatte, konnte er sich die Borsten abholen. Nun wurde der Tierkörper mit Seilen aufgezogen, aufgehängt, aufgeschnitten und ausgeweidet.
Der Dünndarm wurde zuerst im Bach gut ausgeputzt, dann mit heißem Wasser mehrmals gut ausgewaschen und dann umgestülpt und die innere Schleimhaut entfernt um eventuelle Infektionsquellen zu entfernen. Der Darm diente als Haut bei der Herstellung von Würsten.
Der nächste Schritt war das fachgerechte Zerteilen und das Einsuren. Die Fleischteile wurden mit einer Mischung aus Salz, Pfeffer, Wacholder und Lorbeer gut eingerieben und acht Tage liegen gelassen. Heute werden die „Hammen“ bevorzugt, früher wurde die lange Seite für den Speck verwendet.
Das Wurstfleisch wurde nicht eingesurt, sondern mit Rindfleisch gemischt faschiert, mit Salz, Pfeffer, Neugewürz und Knoblauch gewürzt und in die Därme gefüllt. Es gab und gibt bei der Wurstherstellung sehr unterschiedliche Rezepturen, Würzungen und Mischungsverhältnisse. Nach ein paar Tagen der Lufttrocknung wurden die Würste für einige Tage in die Räucherkammer gehängt. Wenn sie danach in Mais, Getreide oder Asche aufbewahrt wurden, blieben sie viele Monate weich und saftig. Die Würste für den rohen Verzehr ließ man nach dem Räuchern an der Luft trocknen, dort wurden sie zu harten, haltbaren „Kaminwurzen“.
Speck wurde mindestens einen Monat, meistens aber viel länger geselcht. Das vor Weihnachten geschlachtete Schwein lieferte das Fleisch für den Weihnachtsbraten und allerlei Köstlichkeiten für die Feiertage. Der Hausmagd, die auch für die Fütterung der Schweine zuständig war, standen die Ohren und der Schwanz des Schweines zu. Außer den Klauen wurde alles verwertet. Das Einsuren und das Selchen erforderte Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Viele Faktoren spielten eine Rolle, zum Beispiel Würzung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und die Räucherung. Am besten eignen sich nach wie vor Wacholderzweige, um einen aromatischen Rauch zu erzielen.