Flurnamen Quellen historischer Forschung
Teil 17
Im Herbst 2010 von Dr. Johannes Ortner
Die Bedeutung der Namen der Höfe und Fluren ist eine der wichtigsten Quellen historischer Forschung eines Landstrichs. Außerdem stellt die Pflege und Weitergabe des Namenguts für eine Gemeinschaft einen bedeutenden, die Identität stiftenden Faktor dar.
Als Quelle dienen die in mündlichen Gesprächen abgefragten Namen (Flurnamensammlung Südtirol, die am Landesarchiv in Bozen einsehbar ist), das Werk „Die Hofnamen im Burggrafenamt und in den angrenzenden Gebieten“ des verdienten Hofnamenforschers Josef Tarneller, sowie das Tiroler Ortsnamenbuch von Karl Finsterwalder (als Schlern-Schriften in drei Bänden erschienen).
Abkürzung: mda. (= mundartlich)
- Interessanter sind da schon die Namen in den weiten und nicht einfach zu begehenden Fels-, Buschwald- und Geröllregionen unterhalb der Felskuppe des Hochsulfen. Wenn man vom Greiter aus den Steig Nr. 3 in Richtung Süden einschlägt, erreicht man gleich nach dem Greiter Platzl die Holzziehrinne Wolfris, um gleich darauf auf den Trog des Greiter Bründl zu stoßen. Die Holzziehrinne genau beim Bründl ist das Bärenris. Die beiden Risbezeichnungen beziehen sich auf genau jene beiden räuberischen Wildtiere, die durch aktuelle Ansiedlungsprojekte zunehmend ins Kreuzfeuer der bäuerlichen Kritik geraten.
- Die beiden Risen (Holzziehrinnen) entspringen am auffallenden Felskopf des Hochsulfen bzw. Sulfner Kopf (1390 m). Der Name kommt vom benachbarten Hof Sulfen beim Kirchlein St. Kathrein in Hafling. Der Name mutet vorrömisch an und gehört zu den ältesten Namen.
- Die Grenze zu Hafling bildet genau oberhalb vom Greiter die so genannte Eggplått (Eggplatte), ein alter Marchstein?
- Nach fünf Minuten Gehzeit erreicht man an einem Geländevorsprung ’s Grienpeidele (Grünbödele), von dem der markierte Wandersteig über das Lischpeidele (Lischbödele; mda. der Lisch bezeichnet eine wenig geschätzte im Wald wachsende Grasart) in Richtung Fragsburg führt. Vom Grünbödele aus kommt man in wenigen Minuten zum Greiter Leger. Mit Leger bzw. Lieger werden in der Tiroler Mundart die Viehlagerplätze auf den Almen bezeichnet.
- Unmittelbar darauf schließt die ausgedehnte Fragsburger Gand an. Das Wort Gånt bzw. Gånn (Tschöggelbergerisch) bezeichnet die Geröllhalde bzw. das Abbruchgeröll unter Felswänden und in Bergregionen. Im Bozner Unterland ist unsere Gånt als Låmmer bekannt, im Pustertal als Maure. Linguisten sind sich sicher, dass es sich um ein vorrömisches Alpenwort handelt.
- Direkt unterhalb des Sulfner Kopfs und oberhalb der Fragsburger Wände verläuft auf ca. 1150 m Seehöhe der sogenannte Hoachgång (Hochgang), ein alter Hirtensteig. Einer der Weideplätze heißt dort Hochgangbichl. Durch die Felsenge des Zaindl (Zäundl) gelangt man auf die frühere Weidefläche des Kitzeralbl (Weide der Geißkitze) am Südhang des Hochsulfen. Dort befinden sich auch zwei Felshöhlen, die obere davon wird Gufl genannt. Das alte Wort Gufl bezeichnet Einbuchtungen an Felsen, Felsnischen oder Felshöhlen und ist verwandt mit dem bekannteren Kofel (Fels). Von der Gufl in Richtung Sinichbach gelangt man schließlich zu den Felsen der Rotwandler.
- Gegenüber der Verebnung des Kitzeralbls (1030 m) befindet sich der flache Waldrücken des Råppmpichl (Rabenbichl; 1080 m), dazwischen die kleine Felsschlucht des Tieftol (Tieftal). Hinter dem Rabenbichl tut sich der gähnende Abgrund des Sinichbaches auf mit der prachtvollen, 80 Meter hohen Frågspurger Wåsserfåll (Fragsburger Wasserfall, 810 m an ihrem unteren Ende). In der Mundart heißt es – entgegen der Hochsprache – übrigens fast durchwegs di Wåsserfåll (die Wasserfall, die Wasserfalle) bzw. di Fåll (die Fall, die Falle).
- Orografisch links vom Sinichbach befindet sich der Holzmoaspîchl (1080 m). Das mda. Moas für „Holzschlag“ gerät zunehmend in Vergessenheit. Das Wort leitet sich vom althochdeutschen meizan > mda. moasn „hauen, hacken“ ab.
- Beim kleinen Hof Wållhaisl (Waldhäusl, 1190 m) verläuft die Grenze zu Hafling, das „Drei-Gemeinden-Eck“ zwischen Meran, Hafling und Vöran markiert das Kanzele (mda. di Kånzl „Kanzel“ bezeichnet gerne Aussichtspunkte) auf 1230 m.
- Gleich südlich vom Kanzele fällt der Felseinschnitt der Houferlan (Hoferlahn) auf, in dem sich jeden Winter ein schöner Eisfall bildet.
- Doch zurück zu unserer Rundreise der Freiburger Höfe: Auf zwei Geländeterrassen verteilt springen die beiden Höfe Ober- und Unterweiher ins Auge.
- Die erste Erwähnung der Weiherhöfe in Freiberg gehen auf das 14. Jh. zurück: 1369 ist ein Ulinus d. Weyer ex monte de Mais, 1379 ist die curia Weyerhof in dem perg auf Labers.
- Wiesen- und Ackernamen auf Oberweiher sind: Neuwiese, Hintere und Vordere Ebnet, Obere und Untere Grube, Hasencleverbichl (nach einem Adeligen namens Hasenclever?), Margrettenbichl (nach den dort wachsenden Margeriten), Dreiegg, Schnabelacker, Viereggele, Obere und untere Wiese, Weihermühle (nicht mehr existierend), Weiherkreuz (im Wald unterhalb Oberweiher). Der Felseinschnitt zwischen Ober- und Unterweiher ist das Fuchsloch.
- Wiesen- und Ackernamen auf Unterweiher sind: Hintere Wiese, Amesenbichl (mda. Umesnpîchl, der nicht von den Umesn (= Ameisen) abgeleitet wird, sondern wie beim Moas (= Holzschlag) vom althochdeutschen meizan „roden, hacken“), ’s Eastl, Weiherlacke, Weiherbichl, Langackerle, Moos, Bichlacker, Rautacker (mda. Raut = „Rodung“), Leit (= häufige Bezeichnung für Hanglagen), Unteres Leitl, Raut, Neuraitl. Der Waldrücken direkt oberhalb des Unterweiher ist das Hohlegg (nach den hohlen Felsen im Wald?).
- Auf der Straße in Richtung Fragsburg durchquert man das Hallental (nach dem Hof Hall) und man erkennt kurz darauf unter der Straße die Wiesenebene (Obstanlage) von Fugganell mit dem Teich des Fragsburger Plouder und der kleinen Wiese Pflanzgarten am nördlichen Zipfel der Flur. Der Flurname Fugganell geht auf ein alpenromanisches *fontanella „kleine Quelle“ zurück, was der Plouder (mda. Ausdruck für einen Tümpel, in dem eine Quelle „plaudert“, d. h. das Wasser bewegt). In Schenna findet man einen Hof Funganell.