Wirtshausschilder
Im Herbst 2021 von Dr. Elfriede Zöggeler-Gabrieli
Wirtshausschilder sind kulturgeschichtliche und kunsthandwerkliche Zeugnisse vergangener Zeiten, die nicht bloß Gasthäuser schmücken, sondern Gassen und Straßenzüge mitprägen. Ein bekanntes Beispiel bietet die Getreidegasse in Salzburg. Dort zeigt sich deutlich, dass die Schilder nicht nur die Gasthäuser kennzeichneten, sondern Reklametafeln der Herbergen, Händler, Handwerker, der öffentlichen Schreiber und religiöser Bruderschaften waren. Meist war ein Gegenstand abgebildet, der von jedermann verstanden wurde, da ja in früherer Zeit nur wenige lesen und schreiben konnten. Solche Schilder sind vor allem eine handwerkliche Offenbarung und spiegeln gleichzeitig Volksgeist und Volkskunst wider.
Dass es in Meran bisher kaum Abhandlungen über das Thema „Wirtshausschilder“ gibt, ist nicht auf einen Mangel an diesen früher an vielen Laubenhäusern angebrachten und oft reich verzierten Aushängetafeln zurückzuführen, als vielmehr auf fehlende oder spärliche Quellen über ihre Entstehung. Ein Wirtshaus kam in früheren Jahrhunderten meist zufällig zu seinem Namen. Private Überlegungen spielten mit oder es wurde ein Name übernommen, den der Wirt anderswo gesehen und für gut befunden hatte. Doch kann die Entstehung von Wirtschaftsnamen gleichfalls verschiedene Gründe haben. Oft haben sie einen religiösen Bezug, wie zum Beispiel das ehemalige Gasthaus „Zum Goldenen Löwen“ in der Postgasse (heute Leonardo-da-Vinci-Straße) in Meran. Der Löwe als König der Tiere offenbart beispielsweise Macht und Stärke und gilt zugleich als heiliges Tier. Christus wird als der „Löwe aus Juda“ bezeichnet. Ferner wird der Löwe oft als Siegel- und Wappentier verwendet, so etwa bei den Habsburgern. Aber auch „Zum Goldenen Kreuz“, „Zum Goldenen Lamm“ oder „Zum Goldenen Stern“ lassen an Religiosität denken.
Anfangs des 20. Jahrhunderts schrieb Kunibert Zimmeter, ein österreichischer Heimatschützer und Kunstschriftsteller (…) schmiedeiserne Wirtshausschilder sind eine hervorragende Zierde unserer alten Straßen; wir finden solche Arbeiten in zierlichen Rococoschnörkeln, im Zopf- und im Biedermeierstil. In diesen Arbeiten offenbart sich ein Reichtum der Erfindung, ein sicheres Stilgefühl, ein erlesener Geschmack und hervorragendes technisches Können. Glücklicherweise sind noch viele dieser Schilder vorhanden und werden – zur Ehre unserer Wirte sei es gesagt – im Gegensatz zu vielem Andern auch von den Besitzern erhalten. Wir wollen hoffen, dass es so bleibt.
In Merans Altstadt, wo viele Wirtshäuser und Handwerksbetriebe ihren Sitz hatten, sind die Schilder großteils verschwunden. Jene, die erhalten wurden, sind auf einer Hand abzuzählen, denn das moderne Reklameschild zur „Schwarzen Katz“ am Rennweg, wo sich zumindest die Gestaltung des Arms an kunstgewerbliches Können anlehnt, oder die abstrahierte „Goldene Rose“, die an einer Fassade in den unteren Meraner Berglauben wohl an die glanzvollen Zeiten des ehemaligen Gastbetriebes erinnern soll, sind kaum als positive Beispiele zu nennen. Welcher Einheimische oder Gast fühlt sich wohl durch solche Verunglimpfungen angesprochen, das Objekt näher zu betrachten oder zu fotografieren, spiegelt es weder Kunstsinn noch ehemalige Gastlichkeit wider.