Abschied von Martin Krautwurst
Im Frühling 2022 von Eva Pföstl
Die Evangelische Gemeinde A.B. Meran (EGM) entstand in den 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts im Kontext des aufblühenden Kurbetriebs in Meran. 1861 wurden ein Bethaus mit Pfarrwohnung gestiftet und ein Evangelischer Friedhof eingerichtet. 1870 wurde der erste Pfarrer berufen, 1876 erfolgte die rechtliche Konstituierung der EGM. Predigtstationen in Bozen (ab 1898 mit einem eigenen Pfarrer auf dem Weg zur selbständigen Gemeinde) und Arco kamen hinzu. Die Evangelische Gemeinde Meran reicht vom Reschenpass bis zum Gardasee. Derzeit hat sie etwa 320 eingetragene Gemeindemitglieder. Anders als in der katholischen Kirche werden die Pfarrer der Evangelischen von der Gemeinde gewählt. Martin Krautwurst war seit 2014 Pastor der evangelischen Gemeinde in Meran. Er tritt nun eine neue Stelle in Thüringen in der kleinen Residenzstadt Rudolstadt an. Sein Nachfolger, Timm Harder, wird offiziell Anfang September in Meran seine Tätigkeit beginnen. Wir haben mit Martin Krautwurst über seine Zeit in Meran gesprochen.
MS: Herr Krautwurst, was waren die größten Herausforderungen im Positiven und Negativen?
M. Krautwurst: Herausforderungen gab es viele in dieser Zeit. Schon der Pfarrstellenwechsel in eine Auslandspfarre birgt ein Risiko in sich. Das Reformationsjubiläum 2017 gehört auf alle Fälle dazu. Der 500. Jahrestag des Thesenanschlages zu Wittenberg war eine große Chance für unsere kleine evangelische Gemeinde. Wir wollten den Anlass und das Interesse nutzen, den Menschen hier von unserem Glauben zu erzählen, Missverständnisse auszuräumen und Martin Luthers wirkliches Anliegen von Reformen bekannt zu machen. Das ist uns auch ganz gut gelungen. Heute erinnert der Lutherbaum im Marconi-Park an das Jubiläumsjahr. Die Lutherbrücke über die Passer ist ein Zeitzeugnis, aber vor allem die vielen Gespräche, Diskussionsrunden und Vorträge haben hier gute Spuren hinterlassen. Der ZDF-Fernsehgottesdienst im September 2018 live aus der Christuskirche Meran war ebenso eine Herausforderung. Über eine Millionen Menschen in 24 Ländern verfolgten und feierten ihn mit uns, und auch heute noch wird er auf YouTube immer wieder heruntergeladen. Eine tolle Werbung für die Stadt Meran und Südtirol. Die Armut in dieser reichen Stadt ist eine Herausforderung. Wir begegnen ihr seit sieben Jahren mit unzähligen Lebensmittelbeuteln für Betroffene. Die Kirchen in Arco und Sulden konnten grundhaft saniert und restauriert werden. Ein neuer großer Spielplatz steht den Meraner Familien hinter der Kirche zur Verfügung. Das Seniorenheim Bethanien lebt von neuen Impulsen. In Meran wartet nun der barrierefreie Zugang noch auf seine Vollendung, es gab immer viel zu tun …
MS: Was werden Sie vermissen?
M. Krautwurst: Die Herzlichkeit der Menschen, das milde Klima, die Sonne über den schneebedeckten Bergen, die herrliche Landschaft, das besondere Essen und den guten Wein. Urlauber, die mit uns den Glauben lebten, Christen aller Konfessionen, die sich hier zu Hause fühlen, tolle Mitarbeiter und einen engagierten Kirchenvorstand, da gibt es sehr viel, was wir noch vermissen werden.
MS: Worüber haben Sie sich als Pastor der Gemeinde Meran am meisten gefreut?
M. Krautwurst: Dass die Gemeinde zusammengewachsen ist und in so schweren Zeiten wie der Pandemie zusammengehalten hat. Darüber hinaus konnte sie vielen anderen hier vor Ort und über die Grenzen der Stadt hinaus helfen und zur Seite stehen. Mit einem Kommunikationsprojekt versorgten wir viele ältere Menschen und kinderreiche Familien in Südtirol mit notwendiger Technik zur Kommunikation. Tägliche Andachten, Gottesdienste und Podcasts machten in schweren Zeiten Mut und Hoffnung, der Interessenkreis lag dabei auch weit über Meran und Südtirol bei evangelischen und katholischen Christen gleichermaßen. Eine interessante Broschüre mit tollen Texten lässt noch heute diese besondere Zeit Revue passieren.
MS: Wie würden Sie das Verhältnis zur katholischen Kirche vor Ort beschreiben?
M. Krautwurst: Das Verhältnis hat sich weiter verbessert. Ich glaube, dass man sich gut auf Augenhöhe begegnet und ein sehr gutes ökumenisches Miteinander pflegt. Ökumenische Projekte wie der Schöpfungstag, die Schritte des Friedens, die Gebetswoche zur Einheit der Christen, der Weltgebetstag oder auch die zahlreichen Friedensgebete gehören traditionell zu unseren gemeinsamen Kirchenkalendern. Man ist miteinander unterwegs und füreinander da, was will man mehr?