Bürgermeisterwahl: Wer hat die besseren Ideen für Meran?
Im Sommer 2020 von Philipp Rossi
MS: Die Coronakrise hat uns alle getroffen. Was muss sich in Meran nach Corona ändern?
Paul Rösch: Eine interessante Frage – dazu habe ich ein ganzes Buch herausgegeben (lacht). Ich habe den Eindruck, dass die Menschen das Leben mit einer neuen Tiefe und Achtsamkeit erfahren. Bestimmte Entwicklungen hin zu lokalen Kreisläufen oder zur Digitalisierung haben sich beschleunigt. Auch wenn es abgedroschen klingt: In jeder Krise bieten sich auch Chancen. Wenn wir sie nutzen, leben wir danach besser, bewusster und nachhaltiger.
Richard Stampfl: Wir brauchen jetzt gebündelte Kräfte, müssen das Allgemeinwohl in den Mittelpunkt stellen. Müssen an einem Strang ziehen. Dabei dürfen wir nicht mehr länger um den heißen Brei herumreden – wir müssen die drängenden Probleme beim Namen nennen, miteinander nach Lösungen suchen. Und diese dann rasch in die Tat umsetzen. Es geht um sehr viel.
MS: Welche sind Ihre drei Prioritäten für Meran, falls Sie (wieder) zum Bürgermeister gewählt werden?
Richard Stampfl: Arbeitsplätze müssen gesichert werden und Wohnraum muss leistbar gemacht werden. Sicherheit und Sauberkeit müssen gewährleistet werden. Außerdem braucht es Mobilitätslösungen für alle Verkehrsteilnehmer – nicht nur in den Köpfen oder am Papier: Es geht auch hier um konkrete Umsetzungen. Unsere ehrenamtlichen Vereine sind tragende Säulen – mit Sonntagsreden ist ihnen nicht geholfen, sie brauchen aktive Unterstützung. Gerade jungen und alten Menschen, aber auch Familien müssen wir Perspektiven geben.
Paul Rösch: Erstens und immer noch: Mobilität. Wir bauen an einer Stadt, in der der Mensch vor dem Auto kommt. Zweitens: Ich stehe für die Mitdenkstadt Meran, für eine Kultur der Solidarität und des Zusammenhalts, in der die Bürgerinnen und Bürger selbst Verantwortung übernehmen. Und drittens: Investitionen in eine nachhaltige Zukunft. Das bedeutet vor allem, den Klimaschutz weiter vorantreiben und die Stadtentwicklung so zu planen, dass auch unsere Kinder noch etwas davon haben.
MS: Während der Bau der Nord-West-Umfahrung immer noch nicht begonnen hat, wird das Verkehrsproblem in Meran immer akuter. Welche kurzfristigen Lösungsrezepte schlagen Sie vor?
Paul Rösch: Kurzfristige Lösungen bringen uns nicht weiter, wir brauchen ein langfristiges Konzept. Daher haben wir gemeinsam mit der Meraner Bevölkerung und dem renommierten Mobilitätsexperten Stefano Ciurnelli einen umfassenden Mobilitätsplan erarbeitet, der auch die geplante Umfahrung berücksichtigt. Wir orientieren uns da ganz an erfolgreichen europäischen Vorbildern. Kurz gesagt: Wenn der Autoverkehr wieder fließen soll, müssen wir die Alternativen fördern, sprich den Rad- und Fußverkehr und die öffentlichen Verkehrsmittel.
Richard Stampfl: Dem Baubeginn des zweiten Abschnittes der Nord-West-Umfahrung und der privat finanzierten Kavernengarage steht jetzt glücklicherweise nichts mehr im Wege. Sinnvoll wäre es, endlich auch das Mobilitätszentrum am Hauptbahnhof anzugehen – das fertige Projekt liegt seit fünf Jahren auf dem Tisch. Dieses ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für die verschiedenen Mobilitätsformen: Bei allen Bemühungen muss es darum gehen, die Interessen von Fußgängern, Radfahrern, Öffi-Nutzern und Autolenkern unter einen Hut zu bekommen. Kurzfristig muss der öffentliche Nahverkehr verbessert werden. Und die Radmobilität muss ernsthaft gefördert werden.
MS: Welche Vorstellung haben Sie zur touristischen Entwicklung unserer Stadt?
Richard Stampfl: Fest steht, dass wir den Tourismus brauchen. Er schafft Arbeitsplätze. Und er macht unsere Stadt auch bunter und vielfältiger. Wir sollten uns aber gemeinsam die Frage stellen, welchen Tourismus wir haben wollen. Immer mehr? Immer größer? Wir sollten uns auf die vielen Schönheiten unserer Stadt besinnen: die grünen Gärten, die langen Alleen, die historische Bausubstanz ... sowie die besondere Geschichte. Und die Menschen, die in ihr leben. Es geht darum, Brücken zu schlagen. Und nachhaltigen Tourismus zu gestalten. Die Menschen, die zu uns kommen, sollen weniger Urlauber und mehr Gäste sein.
Paul Rösch: Meran muss sich auf seine Stärken besinnen. Wir brauchen keine immer höheren Nächtigungszahlen und keine Extrawurst nur für Touristen. Wir können selbstbewusst sagen, dass wir eine attraktive und lebenswerte Stadt sind: Wenn wir die Lebensqualität für die Meraner hochhalten, wird das auch Gäste anziehen, die dafür zu zahlen bereit sind. Das Augenmerk muss auf der Qualität statt auf der Quantität liegen: mehr Klasse statt Masse.
MS: Das Kasernenareal, die Solland Silicon und der Pferderennplatz sind drei Strukturen, über deren Zukunft sich die Gemeindepolitik in den vergangenen Jahren stets uneins war. Was sollte Ihrer Ansicht nach damit geschehen?
Paul Rösch: Die Solland Silicon ist ja mittlerweile zum Glück Geschichte. In Sinich wird nach der Bonifizierung des Areals eine neue Gewerbezone für Unternehmen und Handwerksbetriebe entstehen, die den Platz dringend brauchen. Der Pferderennplatz muss sich ein bisschen neu erfinden und der Meraner Bevölkerung öffnen. Unter der Tribüne ist ein Gründerzentrum geplant, auch ein neues Restaurant soll entstehen und der Pferderennplatz für Konzerte und Veranstaltungen genutzt werden. Für größere Investitionen wie ein Südtiroler Haflingerzentrum braucht es einen Einstieg des Landes, das kann Meran nicht alleine stemmen. Zum Kasernenareal muss sich die ganze Stadt gemeinsam Gedanken machen, was damit passiert – denn wenn wir es nicht tun, machen das private Investoren, die nicht zwangsläufig das Wohl der Stadt im Auge haben. Daher braucht es einen Beteiligungsprozess für die Bevölkerung. Mein persönlicher Wunsch ist ein Forschungszentrum: Zwischen dem neuen Alperia-Sitz mit der Forschungsabteilung des Unternehmens und dem genannten Gründerzentrum am Pferderennplatz kann ein echtes Meraner Innovationsviertel entstehen.
Richard Stampfl: Das ehemalige Kasernenareal ist immens groß: Es darf auf keinen Fall in die Hände von Spekulanten fallen. Das allgemeine Interesse muss im Vordergrund stehen – dort muss schrittweise das verwirklicht werden, was die Meranerinnen und Meraner wollen und brauchen: vor allem Freiflächen zu Entfaltung, aber auch Schulraum und leistbare Wohnungen. Die Initiative „Campus M“ hat vorgemacht, in welche Richtung die Reise gehen soll. Die Flächen der Solland Silicon sollen Platz für eine neue wirtschaftliche Entwicklung bieten – ich denken da an die Ansiedlung kleiner, innovativer Unternehmen, die in technologischen Zukunftsbranchen tätig sind. Und schlussendlich der Pferderennplatz: Dieser muss Grün- und Sportfläche bleiben. Aber mehr noch, er muss von der Bevölkerung genutzt werden können. Dies ist über den Einstieg des Landes Südtirol möglich: Gleichzeitig könnte dadurch die ehemalige Böhler-Fläche in Obermais einer neuen, wichtigen Nutzung zugeführt werden – und vor allem der dringend nötige Schulraum geschaffen werden.
MS: Das Thema Klimawandel müssen mittlerweile alle Parteien behandeln. Worin unterscheiden sich Ihre Vorschläge von denen Ihrer Mitbewerber?
Paul Rösch: Alle Parteien haben mittlerweile verstanden, dass Klimaschutz wichtig ist. Doch bei vielen steht das Thema auf der Prioritätenliste eben etwas weiter unten als bei uns. Vielleicht kann man es so sagen: Andere schauen hauptsächlich auf die nächste Ernte – wir gehen davon aus, dass es am wichtigsten ist, den Baum zu gießen und zu pflegen, damit er auch in Zukunft noch blüht und gedeiht.
Richard Stampfl: Wir müssen der diesbezüglich lauten Stimme unserer Jugend folgen – und diesem Thema höchste Priorität geben. Dieser Einsatz ist nicht verhandelbar, er muss parteiübergreifend sein. Meran muss seinen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten. Meran muss Vorbild sein, wir alle müssen Vorbilder sein. Dabei müssen wir davon Abstand nehmen, den Autoverkehr die ganze Schuld in die Schuhe zu schieben. Selbstverständlich, wir müssen den öffentlichen Nahverkehr stärken, wo es nur geht. Wir müssen aber auch unser Konsumverhalten hinterfragen! Wie reisen wir? Was essen wir? Wie heizen wir? Mehr auf lokale Kreisläufe zu setzen, das ist sicher ein wichtiger und richtiger Schritt.
MS: Wie möchten Sie sich für die Belange älterer Einwohner einsetzen?
Richard Stampfl: Die Menschen werden immer älter – der Anteil älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger steigt auch in Meran immer weiter. Dem müssen wir unbedingt gerecht werden. Gleich wie für junge Menschen braucht es auch für die ältere Generation konkrete Perspektiven – und auch Unterstützungen. Da geht es einerseits um Strukturen, die geschaffen werden müssen: Alten- und Pflegeheime, aber auch darüber hinaus um eine seniorengerechte Stadt. Und um Dienste, die angeboten werden müssen. Es geht aber vor allem auch darum, die Seniorinnen und Senioren ernst zu nehmen, ihnen zuzuhören und sie in die Entscheidungen miteinzubeziehen.
Paul Rösch: Am wichtigsten ist es, dass die Senioren nicht an den Rand gedrängt werden, sondern im Zentrum der Gemeinschaft stehen. Das neue Wohn- und Pflegeheim „St. Josef“ in der Innerhoferstraße steht sinnbildlich dafür. Auch im Alter wollen die Menschen ein möglichst selbständiges und würdevolles Leben führen. Dafür braucht es entsprechende Angebote wie begleitetes Wohnen oder die Tagesstätte für Senioren im Kurmittelhaus, die Treffpunkt und Anlaufstelle in einem ist. Große Chancen sehe ich auch im generationenübergreifenden Wohnen, wo junge und ältere Menschen in einer Hausgemeinschaft sich gegenseitig unterstützen.
MS: Welche Chancen sehen Sie für Meran, ein attraktiver Wohnort für junge Familien zu sein/werden?
Paul Rösch: Meran ist mit seinem Kultur-, Sport- und Freizeitangebot, mit seinen Spielplätzen und Grünanlagen eigentlich eine sehr attraktive Stadt für Familien, das zeigt das Wachstum der Stadt in den vergangenen Jahren. Die Folge und gleichzeitig das größte Problem für junge Familien sind die hohen Wohnungskosten. Die müssen wir in den Griff bekommen. Es kann nicht sein, dass einige sich mit illegalen Ferienwohnungen eine goldene Nase verdienen und unsere Familien dafür auf der Straße stehen. Da brauchen wir auch die Unterstützung des Landes. Auch die leerstehenden Wohnungen gilt es besser zu nutzen und wieder verfügbar zu machen, damit das Wohnungsangebot größer und die Wohnungspreise niedriger werden.
Richard Stampfl: Meran ist eine attraktive Stadt, besticht durch ihre Überschaubarkeit und ihre Schönheit. Meran bietet bereits viele Möglichkeiten zur sinnvollen Freizeitgestaltung an – einen wichtigen Beitrag hierfür leisten die Vereine. Attraktivität hat aber auch mit Geld zu tun: Die Lebenshaltungskosten sind in Meran hoch – die Wohnungspreise sind für viele Familien nicht zu bezahlen. Da muss die öffentliche Hand mit konkreten Maßnahmen regulierend eingreifen – und gerade junge Familien unterstützen.
MS: Wo sehen Sie Meran in fünf Jahren?
Richard Stampfl: Es wird in den nächsten Jahren vor allem darum gehen, die Folgen der Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. Die vergangenen Monate waren in vielfacher Hinsicht nicht einfach. Und wir wissen nicht, was noch alles auf uns zukommt. Es darf nicht eine ganze Generation geben, die Schaden erleidet. Es braucht vollen Einsatz, etwa um Arbeitsplätze zu sichern. Die Meranerinnen und Meraner sollen sich auch in fünf Jahren noch wohl in ihrer Stadt fühlen, sie sollen sich sicher fühlen – sollen einen guten Arbeitsplatz und eine bezahlbare Wohnung haben. Und vor allem die jungen Menschen sollen Perspektiven und Möglichkeiten zur Entfaltung haben.
Paul Rösch: Es hat mich immer gestört, wenn Politiker nur bis zur nächsten Wahl denken. Mein Zeithorizont ist ein anderer: Wo wollen wir als Stadt in 20 oder 30 Jahren hin? Ich habe da eine klare Vorstellung: Meran soll eine offene und lebenswerte Stadt sein, die nachhaltig und mit Blick auf die kommenden Generationen wirtschaftet, in der lokale Kreisläufe gefördert und Umwelt und Klima geschützt werden, deren Gemeinschaftsgefühl auf Respekt und Mitmenschlichkeit aufbaut und in der die schwächeren Mitglieder aufgefangen und unterstützt werden. Das ist eine große Vision – und in den nächsten fünf Jahren werden wir mit diesem großen Ziel vor Augen den eingeschlagenen Weg in vielen Schritten weiterverfolgen.