Die Freimaurerei hat beinahe doppelt so viele Mitglieder wie alle Service-Clubs zusammen
Im Herbst 2021 von Eva Pföstl
Wir haben Dieter Schnabl, seit 1974 Freimaurer, Mitbegründer der deutschsprachigen Loge „Franz von Gumer“ und mehrmaliger „Meister vom Stuhl“ zum Gespräch getroffen.
MS: Herr Schnabl, wozu braucht man im 21. Jahrhundert eine 300 Jahre alte Bruderschaft?
D. Schnabl: Die Werte der Freimaurerei sind unveränderlich und nicht an zeitliche Umstände gebunden. Sie haben in der heutigen Zeit an Attraktivität eher dazugewonnen. Dies spiegelt sich auch in Zahlen wider. Die Freimaurerei hat beinahe doppelt so viele Mitglieder wie alle Service-Clubs zusammen (Rotary, Lions, Kiwanis, Round Table).
MS: Die Freimaurerei hat in Italien – im Gegensatz zum restlichen Europa – teilweise immer noch einen schlechten Ruf. Worauf ist das zurückzuführen?
D. Schnabl: Der Ruf der Freimaurer in Italien hat durch die traditionell feindselige Haltung des Vatikans, durch das Verbot unter dem Faschismus, durch haltlose Verschwörungstheorien aller Art und letzthin durch die P2-Affäre, die mit der regulären Freimaurerei nichts zu tun hat, sicherlich gelitten.
MS: Wie unterscheiden sich die Freimaurer von den sogenannten Service-Vereinigungen, also Rotariern oder dem Lions-Club?
D. Schnabl: Die Gründer des Rotary-Clubs (Paul Harris, 1905) und des Lion-Clubs (Melvin Jones, 1917) waren beide Freimaurer. Daher bestehen einige Gemeinsamkeiten, besonders im humanitären Bereich. Die Freimaurer unterscheiden sich jedoch darin, dass sie Rituale befolgen, Symbole zu deuten versuchen und an der Persönlichkeitsbildung des eigenen „Ichs“ im ethisch-moralischem Sinne arbeiten. Der Aufbau von wirtschaftlichen Netzwerken wird abgelehnt. Es gibt jedoch mehrere Brüder, die auch Mitglieder eines Service-Clubs sind: Das eine schließt das andere nicht aus.
MS: Wie wird man Freimaurer?
D. Schnabl: Der traditionelle Weg besteht darin, dass man in der Loge beschließt einen ev. Interessierten und Geeigneten darauf anzusprechen. Im digitalen Zeitalter kann ein Interessierter die Loge auch via E-Mail kontaktieren. Es werden dann die nötigen Schritte unternommen, um die Eignung des Interessenten zu prüfen; über eine ev. Aufnahme entscheidet dann die Loge: Einstimmigkeit ist erforderlich.