„Die Jagd hat keine Lobby“
Im Sommer 2021 von Philipp Rossi
Meraner Stadtanzeiger: Befürworten Sie als Jäger die ausdrückliche Verankerung des Umwelt- und Tierschutzes in der Verfassung?
Karl Huber: Ja und nein. Grundsätzlich ist es sicherlich positiv, dass bestimmte Prinzipien durch die Verfassung geschützt sind. Es stellt sich aber die Frage nach der Interpretation der Bestimmungen durch diejenigen, die die Regierungsverantwortung übernehmen. Problematisch ist eine solche Verankerung dann, wenn die Regionen und Provinzen – d.h. das Land – über keinen Spielraum mehr verfügen, um autonome Regelungen zu beschließen. Hinzu kommt, dass sich auf staatlicher Ebene die oberste Umweltbehörde ISPRA vollständig in Hand der Umweltschützer befindet. Die Jagd befindet sich dagegen in der Minderheit, sie hat keine Lobby und stößt leider bei vielen Bevölkerungsgruppen auf Ablehnung. Eine Verankerung in der Verfassung ist zwar positiv, allerdings soll diese zu keinem starren Mechanismus führen, wodurch dem Land Südtirol die Möglichkeit, selbst auf die Materie Einfluss zu nehmen, verwehrt bleibt.
MS: Wie lassen sich Tierschutz und Jagd vereinbaren?
Karl Huber: Die Frage ist sehr interessant. In Südtirol gibt es 6.000 Jäger, die den Tierschutz befürworten und sich größtenteils für den Erhalt einer intakten Umwelt sehr einsetzen. Es gibt genügend Initiativen der Jäger für das Wohlfühlen der Tiere, etwa die Pflegemaßnahmen für den Schutz der Raufußhühner. Es handelt sich dabei um freiwillige, nicht öffentlich finanzierte Maßnahmen. Die Jägerschaft ist in Südtirol sehr gut ausgebildet und vorbereitet, sie kennt die Fauna und Flora und weiß, zu welcher Zeit welche Tiere zu entnehmen sind. Der Umgang mit dem Jagdkalender ist sehr streng, es erfolgt eine genaue Selektion. Wir schießen nicht wahllos Tiere über den Haufen, sondern bemühen uns um eine Regulierung, damit einerseits die Natur- und Kulturlandschaft keinen Schaden erleidet und andererseits keine für das Ökosystem schädliche Überpopulation einzelner Tierarten entsteht. Bestimmte Tierkrankheiten – etwa die Gamsblindheit – würden sich ohne die Regulierung durch die Jägerschaft mehr ausbreiten. Im ausgewogenen Maße besteht eine Symbiose zwischen Tierschutz und Jagd, beide ergänzen sich zum Wohle der Fauna und Kulturlandschaft miteinander. Und beide haben in unserer Umwelt Platz.
MS: Die Frage nach dem Umgang mit dem Großraubwild (Bären und Wölfen) ist in Südtirol so aktuell wie schon lange nicht mehr. Welchen Umgang empfehlen Sie mit diesen Tierarten, auch um den Lebens- und Wirtschaftsraum Berg erhalten zu können?
Karl Huber: Die intakte Natur- und Kulturlandschaft ist ein Aushängeschild für Südtirol. Bär und Wolf passen in eine Gegend, wo ausreichend Platz für diese Tierarten besteht. In Südtirol steht dieser leider nicht zur Verfügung. Es kann nicht sein, dass sich der Bürger fürchten muss, spazieren zu gehen, und wir alle in unserer Freizeit eingeengt sind. Bestimmte Schutzmaßnahmen, z.B. die Aufstellung von Elektrozäunen, sind leider praxisfremd und wenig hilfreich. Wolf und Bär sollten in einer Gegend angesiedelt werden, in der keine so intensive Bewirtschaftung wie in Südtirol besteht. Auch darin ist Tierschutz zu verstehen, denn es ist ja viel besser, dass diese Tierarten über einen ausreichend großen Lebensraum verfügen. Die Jägerschaft solidarisiert sich mit den Bauern und den Touristikern und befürwortet eine angemessene Lösung für diese Frage.