Einzelhandel in Meran
Wie soll es weitergehen und was erwartet man sich von der neuen Stadtregierung?
Im Herbst 2020 von Eva Pföstl
Der Einzelhandel steht – nicht erst seit Corona – vor großen Herausforderungen, die der steigende Online-Handel, Handelsketten, große Einkaufszentren und das veränderte Kundenverhalten mit sich bringen. Dem gilt es gegenzusteuern, wenn wir nicht irgendwann in leere Schaufenster blicken wollen. Wir haben Joachim Ellmenreich, hds-Ortsobmann von Meran um ein Gespräch gebeten.
MS: Herr Ellmenreich, was sagen Sie zur Neuwahl unseres Bürgermeisters?
J. Ellmenreich: Diese Wahl mit dem knappen Ergebnis für Paul Rösch ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass unsere Stadt gespalten ist. Nicht nur ethnisch zwischen deutsch- und italienischsprachigen Meranern, was bedauernswert ist, sondern auch zwischen Unterstützern der Wirtschaft und jenen die grün-ökologischen Themen den Vorrang geben. Ich persönlich bin von Natur aus zweigeteilt: zwischen Wirtschaft und grünen Themen. Aber Wirtschaft und grüne Themen sollten sich nicht ausschließen, sondern miteinander nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung fördern. Dies voranzutreiben ist auch die Aufgabe des neuen – alten Bürgermeisters
Paul Rösch.
MS: Und als hds-Ortsobmann? Haben Sie eine Wahlempfehlung abgeben?
J. Ellmenreich: Nein, im Vorfeld der Wahlen und Stichwahl habe ich – im Gegensatz zu früheren Zeiten ganz bewusst keine Wahlempfehlung abgegeben. Dafür habe ich viel Kritik aber auch viel Lob geerntet. Als Obmann des hds habe ich allerdings bei allen Parteien Druck gemacht, dass Wirtschaftsthemen in den Wahlkampf aufgenommen wurden.
MS: Welches sind Ihre Anliegen an die neue Stadtregierung?
J. Ellmenreich: Als Obmann des hds Meran möchte ich betonen, dass ich bestimmte Interessen vertrete und mich dafür in der Öffentlichkeit einsetze. In diesem Sinne bin ich ein „Lobbyist“, sprich, ein legitimer und gewählter Interessenvertreter einer bestimmten Branche. einer wichtigen Branche unserer Stadt – immerhin vertrete ich 250 Betriebe mit ihren Mitarbeitern, aber im Bewusstsein, dass in einer funktionierenden Gesellschaft alles Platz haben muss, Wirtschaft, Soziales, Kultur usw. Ich erwarte mir, dass uns gebührend Gehör geschenkt wird. Mitsprache, Austausch und Wahrnehmung unserer Interessen vonseiten der Stadtregierung sind uns ein besonderes Anliegen, so möchten wir Informationen zur Stadtentwicklung aus erster Hand erhalten oder z.B. über anstehende Arbeiten/Projekte/Vorhaben bereits im Vorfeld informiert werden und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
MS: Können Sie uns ein Beispiel nennen?
J. Ellmenreich: Ja, z.B. über den Bau des Bauernladens in Untermais – ein eindeutiges Projekt auf der grünen Wiese – waren wir nicht informiert. Dies ist ein Projekt, das in dieser Form nicht hätte verwirklicht werden dürfen und darf auf keinen Fall als Vorreiter für weitere Projekte auf der grünen Wiese dienen. Genauso hätte man mit uns Geschäftsleuten im Vorfeld über die Schließung der Otto-Huber-Straße sprechen sollen. Dann hätte es wahrscheinlich auch weniger Widerstand gegeben. Auch bzgl. der zukünftigen Nutzung des Ex-INAIL-Gebäudes oder des Kasernenareals möchten wir eingebunden werden.
MS: Welche konkreten Projekte erachten Sie wichtig für die Stadt?
J. Ellmenreich: Hier gibt es viele kleinere und größere Projekte, z.B. Neugestaltung der Freiheitsstraße, Meinhardstraße und des Rennweges samt Kornplatz. Mobilitätszentrum am Bahnhof mit guter Anbindung an die Altstadt, dem Steinachviertel, Untermais und Obermais, mit Citybus, mit dem Fahrrad und für Fußgänger. Rascher Bau der Nord-West-Umfahrung mit Kavernengarage. Die Realisierung der Standseilbahn Meran-Schenna und auch Tirol. Wiedergewinnung von Wohn- und Wirtschaftskubatur in der Altstadt in Zusammenarbeit von Gemeinde und Besitzern der Immobilien. Die Realisierung eines Logistikzentrums für An- und Ablieferung der betrieblichen und privaten Waren mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Vieles gäbe es noch, die Wunschliste ist lang, aber uns ist bewusst, alles gleichzeitig geht nicht.
MS: Wie hat sich die Corona-Krise auf den Einzelhandel in Meran ausgewirkt?
J. Ellmenreich: Wir haben uns in den letzten Monaten recht gut erholt. Die Kundenfrequenz ist wieder besser als noch vor einigen Monaten aber bis Jahresende kann man sicher mit einem Umsatzrückgang von 20 bis 50 % je nach Branche rechnen. Wir hoffen, dass es keine Betriebsschließungen gibt und dass keine Arbeitsplätze verloren gehen.
MS: Haben sich die Touristenströme in Meran nach dem Lockdown verändert?
J. Ellmenreich: Die große Masse an Touristen ist ausgeblieben, dafür hatten wir ein jüngeres, teilweise zahlungskräftigeres und kaufwilliges Publikum, viele Wanderer, mehr italienische Touristen, die Meran noch nicht kannten und natürlich mehr Wochenendtouristen.
MS: Von „Overtourismus“ also keine Spur mehr und dafür mehr Qualitätstourismus?
J. Ellmenreich: Der „große Run“ ist ausgeblieben, aber Meran kann ohne Tourismus sicherlich nicht leben. Ich glaube, grundlegend ist jedoch ein Trend zu mehr Qualitätstourismus zu verzeichnen. Natürlich gibt es einige Geschäfte in Meran, die von hoher Besucherfrequenz leben, aber die letzten Monate haben gezeigt, dass auch mit weniger Ansturm gute Geschäfte gemacht werden können. Sicherlich wird es immer wieder Tage geben, wo die Stadt überrannt sein wird und mit diesem Phänomen werden wir wohl auch in Zukunft leben müssen. Es ist wichtig einen Balanceakt zu finden.
MS: Wieviel Tourismus verträgt unsere Stadt?
J. Ellmenreich: Allgemein bin ich der Meinung, dass unsere Grenzen bezüglich Aufnahmefähigkeit der Mengen an Touristen erreicht sind. Es darf auf keinen Fall mehr an Tourismus geben und ich plädiere ganz klar für einen Bettenstopp und dass nur mehr qualitative Erweiterung möglich sein soll. Vieles wird sich von selbst regulieren, denn viele Touristen wollen keine überfüllten Städte und gerade Corona hat uns gezeigt, wie wichtig Natur und nachhaltiger Tourismus sind.
MS: „Meran ist eine teure Stadt“ - Wie sehen Sie das?
J. Ellmenreich: Ja, Meran ist schon eine etwas teure Stadt. Eine 20 %-ige Adjustierung der Preise in allen Bereichen würde ich für notwendig erachten. Dies ist jedoch nicht einfach, denn es hängt mit den Mietpreisen, den Gehaltsstrukturen usw. zusammen. Wir wissen auch, dass das Verhältnis Lohn und Lebenshaltungskosten immer mehr auseinanderdriftet und die Löhne steigen müssten, aber hier bedarf es einer Senkung der Steuern und Lohnnebenkosten.
MS: Der Online-Handel und große Handelsketten haben viele Geschäfte in Bedrängnis gebracht. Was ist für den Einzelhandel angebracht?
J. Ellmenreich: Es ist einfach so, dass manche Menschen nur mehr mit dem Computer einkaufen. Momentan ist es sicher nicht leicht, und Corona hat das verstärkt. Wir müssen jedoch darauf reagieren und auch unsere Hausaufgaben machen. So machen einige Einzelhändler mittlerweile auch selbst Onlineangebote oder bieten Hauszustellungen an. Es gibt auch neue Verkaufskonzepte wie z.B. Concept-Stores – das sind Geschäfte, in denen es mehrere Geschäfte gibt oder in denen auch Dienstleistungen angeboten werden.
Große Handelsketten, wie wir sie ja auch in Meran haben, darf man nicht nur als Konkurrenz sehen, sondern auch als Frequenzbringer für unsere Innenstadt. Außerdem ist ein gewisser Branchenmix sehr wichtig für jede Stadt.
Mittelfristig aber müssen in der Fußgängerzone die Mieten sinken. Niemand hat etwas davon, wenn es keine Geschäfte mehr gibt, wenn es Leerstand gibt. Denn: Keine Miete ist schlechter als weniger Miete.
MS: In Meran zirkulieren Gerüchte, dass acht Geschäfts in der Altstadt ihre Tätigkeit aufgeben werden. Können Sie diese Gerüchte bestätigen?
J. Ellmenreich: Diese Zahl kann ich nicht bestätigen, aber es wird sicherlich Schließungen geben. Das Konsumverhalten hat sich schon lange verändert. Das ist übrigens nicht nur in Südtirol so, sondern auch in großen deutschen und österreichischen Städten. Ich blicke jedoch zuversichtlich in die Zukunft – schauen Sie nur wie viele junge Unternehmer es mittlerweile in Meran gibt. Dies ist ein gutes Zeichen!