„Ich denke wieder an ein nächstes Buch“
Im Winter 2018 von Philipp Rossi
Die in Meran geborene und in Lana aufgewachsene Sabine Gruber ist seit den 1980er-Jahren literarisch aktiv. Zu ihren Werken zählen Romane, Gedichte, Erzählungen, Hörspiele und Essays. Im Gespräch mit dem Meraner Stadtanzeiger erzählt die mittlerweile in Wien lebende Gruber über ihre schrifstellerischen Zukunftspläne, ihre Arbeitstechniken sowie ihren Bezug zur Stadt Meran.
Meraner Stadtanzeiger: Frau Gruber, fühlen Sie sich mittlerweile mehr Wienerin oder Südtirolerin?
Sabine Gruber: Ich bin keine Wienerin, ich lebe aber auch schon lange nicht mehr in Südtirol. Ich fühle mich als Europäerin.
MS: Arbeiten Sie gerade an einem neuen Roman?
Sabine Gruber: Ich war jetzt fast ein Jahr mit der Aufarbeitung der künstlerischen Verlassenschaft meines im August 2016 unerwartet verstorbenen Lebensgefährten Karl-Heinz Ströhle beschäftigt, dazu kamen sehr viele Lesungen. Ich habe kaum etwas schreiben können. Aber ich denke wieder an ein nächstes Buch.
MS: Wo finden Sie die Inspiration für Ihre Werke?
Sabine Gruber: Ich lese sehr viel, beobachte Menschen, höre zu. Außerdem wird man im Leben mit Schicksalsschlägen oder Ereignissen konfrontiert, die viele Fragen aufwerfen.
MS: Wie gehen Sie bei Ihrer Recherche vor?
Sabine Gruber: Ich sammle Material, Artikel, Interviewausschnitte, lese Bücher, notiere Einfälle in meinem Heft.
MS: Ihre Romane enthalten oft kontrovers diskutierte historische Begebenheiten und Aktualitätsthemen. Betrachten Sie sich als eine politische Schriftstellerin?
Sabine Gruber: Ich bin ein politisch denkender Mensch, aber ich habe beim Schreiben kein politisches Programm, ich lasse mich auch nie von Politikern oder von einer Partei vereinnahmen. Die Brisanz bestimmter Themen ergibt sich leider von selbst. Wer sich z.B. mit einem Kriegsfotografen beschäftigt, kommt nicht umhin, sich auch mit aktuellen Krisengebieten auseinanderzusetzen.
MS: Ihrem Roman „Stillbach oder Die Sehnsucht“ stellen Sie das Gedicht von Giuseppe Ungaretti, „Non gridate più“, voran. Sehen Sie ihn als Vorbild?
Sabine Gruber: Es gibt mehrere Gründe, warum ich gerade dieses Ungaretti-Gedicht dem Roman vorangestellt habe. Es wurde von Ingeborg Bachmann ins Deutsche übersetzt, deren Werk ich recht gut kenne. Im Roman gibt es zahlreiche Anspielungen. Außerdem bezieht sich das Gedicht auf eine historische Begebenheit, die in meinem Buch eine wichtige Rolle spielt.
MS: „Ein großes Buch ist ein großes Übel“, meinte der hellenistische Dichter Kallimachos. Kann man im Zeitalter von Smartphone und Tablet den Lesern noch Bücher mit einer hohen Seitenzahl zumuten?
Sabine Gruber: Die Aussage des Kallimachos bezog sich auf seine Arbeit als Bibliothekar. Wer einmal Bücher schleppen musste, weiß, was das für den Rücken bedeutet. Aber muss man die Menschen nicht viel mehr von den zeitfressenden und ablenkenden Smartphones und Tablets bewahren? Das fehlende Buch – sei es nun die digitale oder die gedruckte Version – ist doch das viel größere Übel!