Immobilien in Corona-Zeiten
Im Gespräch mit Alexander Benedetti
Im Sommer 2020 von Eva Pföstl
Die Coronakrise bringt viel Unsicherheit mit sich – auch für den Immobilienmarkt. Immobilien sind ein Thema von allgemeinem Interesse. Für Haus- oder Wohnungsbesitzer sowie für Investoren sind Immobilien oftmals die größte Investition im Leben. Auch deshalb ist es wichtig, sich über die jeweilige Lage auf dem Immobilienmarkt zu informieren. Wir haben Alexander Benedetti um ein schriftliches Interview zur Lage im Burggrafenamt gebeten.
Meraner Stadtanzeiger (MS): Herr Benedetti, zu Beginn ein kurzer Blick zurück: In welcher Verfassung war der Immobilienmarkt als die Coronakrise hereinbrach?
A. Benedetti: Der Immobilienmarkt in Südtirol im allgemeinen und auch im Burggrafenamt hat sich in der Vergangenheit immer als sehr stabil und mit wertsteigender Tendenz erwiesen. Die Coronakrise stellt neue Herausforderungen an den Markt. Seit 2011 hat sich der Markt gut entwickelt, sei es in der Anzahl der Immobilientransaktionen, als auch in den Werten. Im Jahr 2019 konnten im Burggrafenamt ca. 1.330 Transaktionen verzeichnet werden. Davon betrafen 93 % den Wohnimmobiliensektor und 7 % Gewerbeimmobilien. Kennzeichnend für den lokalen Markt war eine sehr starke Nachfrage nach Wohnimmobilien mit einem geringeren Angebot. Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage im Bereich Gewerbeimmobilien konnte als ausgeglichen bezeichnet werden.
MS: Wie beurteilen Sie derzeit die Situation im Burggrafenamt? Gibt es hier auf dem Immobilienmarkt Gegebenheiten, die in Anbetracht der aktuellen Krise besonders zu beachten sind?
A. Benedetti: Der Lockdown führte in Südtirol zu einem zweimonatigem Stillstand des Marktes. In diesem Zeitraum sind bei einem Vergleich zum Vorjahr ca. 200 – 230 Immobilientransaktionen ausgeblieben. Die Parameter der Einschätzung des Wertes einer Liegenschaft haben sich in Folge der Coronakrise sicherlich in einigen Punkten verändert. In den vergangenen beiden Monaten konnte ich eine verstärkte Nachfrage nach Bewertungsgutachten ganz besonders für Einzelhandels-, Gewerbe-, Gastronomie- und Beherbergungsimmobilien verzeichnen. Eine korrekte und unabhängige Markteinschätzung des Wertes einer Immobilie ist sicherlich einer der primären Punkte, die es zu berücksichtigen gilt, wenn man zum jetzigen Zeitpunkt eine Liegenschaft kaufen oder verkaufen möchte.
MS: In Meran sind die Immobilienpreise in den letzten Jahren rasant gestiegen. Was hat die Preise nach oben getrieben? Glauben Sie, dass die steile Preisentwicklung aufgrund der Auswirkungen der Coronakrise der Vergangenheit angehört?
A. Benedetti: Der Anstieg der Immobilienpreise im Wohnimmobiliensektor hatte mehrere Gründe: eine wachsende Wirtschaftsleistung, niedrige Zinsen und günstige Darlehen, steigende Baukosten und steigende Preise der Grundstücke, höhere Ansprüche in Bezug auf die Wohnqualität. Die Nachfrage ist seit Jahren stärker als das Angebot. Auch die verstärkte Nachfrage nach Wohnimmobilien für touristische Vermietungen hat dazu beigetragen, dass die Preise angestiegen sind. Das ist ein Trend, der nicht nur Südtirol betrifft. Die Preise in guten Lagen sind stärker angestiegen als in weniger gefragten Zonen.
Der Immobilienmarkt ist stark mit der Realwirtschaft gekoppelt. Die Coronakrise hat unsere Wirtschaft zu einem negativen Trend gezwungen und wir haben an Wirtschaftsleistung verloren. Ich glaube, es wäre unrealistisch davon auszugehen, dass die Preise in den kommenden ein bis zwei Jahren ansteigen werden. Allerdings gehe ich davon aus, dass es derzeit möglich ist, gute Immobilieninvestitionen zu tätigen und, dass sich dieselben in einem Zeitraum von vier bis sieben Jahren sicherlich als sehr positiv erweisen können. Im Markt herrscht eine rege Nachfrage.
MS: Immobilien gelten als sichere Anlage. Trifft das eigentlich immer noch zu? Hat sich die Art der Nachfrage seit Ausbruch der Coronakrise geändert?
A. Benedetti: Die Anlage in eine Immobilie ist eine sehr transparente Investitionsform, sei es für die Eigennutzung als auch als Geldanlage. Gerade in Zeiten der Krise ist eine Immobilie eine sehr sichere Investition, welche man direkt vor Ort im Detail überprüfen und tätigen kann.
Die Nachfrage hat sich vorwiegend für jene Art von Immobilien verändert, welche vorwiegend auf Grund der Rendite bewertet werden. Dies sind Geschäfte, Gastronomie-Immobilien, Hotels, Tourismusgründe sowie andere Arten von Anlageimmobilien.
Die Coronakrise hat für einen Großteil dieser Liegenschaften und den damit verbundenen Tätigkeiten Umsatzeinbussen oder auch einen Rückgang in der Nachfrage generiert. Dies wirkt sich wiederum auf deren Marktwert aus. Anlageimmobilien in weniger guten Lagen sind stärker von der Krise betroffen als jene in besseren Lagen.
Auch im Wohnimmobiliensektor hat es Änderungen in der Art der Nachfrage gegeben. Sei es in Bezug auf die Lage, die Flächen, Erhaltungszustand und Ausführungen der Immobilie, Garten, Terrassen, Infrastrukturen, Internetanbindungen usw.
MS: Ihr Fazit: Wen setzt die Krise am stärksten unter Druck, wer könnte profitieren?
A. Benedetti: Gastronomie, Hotelerie und Einzelhandel sind stärker von der Krise betroffen als andere Bereiche. Dies gilt für Eigentümer, Mieter und auch Pächter. Sollte bei einer Liegenschaft der Mieter oder Pächter ausfallen, ist der jetzige Zeitpunkt sicherlich nicht günstig für eine neue Vermietung oder Verpachtung als auch für eine Veräußerung. Wie in jeder Krisenzeit besteht die Möglichkeit, gute Investitionen am Immobilienmarkt zu tätigen. Wer sich darauf vorbereitet hat, kann davon profitieren.
MS: Sie bringen langjährige Erfahrungswerte mit – lässt sich eine Prognose für die Entwicklung des lokalen Immobilienmarktes in den nächsten Jahren stellen?
A. Benedetti: Die Immobilienpreise werden in den kommenden Monaten, wenn man den derzeitigen Trend beobachtet, im Wohnimmobiliensektor in guten Lagen stabil bleiben. Auch zum jetzigen Zeitpunkt ist die Nachfrage hierfür stärker als das Angebot. Wohnimmobilien in weniger guten Lagen zeichnen bereits jetzt Preisrückgänge ab. Die Anzahl der Transaktionen 2020 wird insgesamt geringer ausfallen als 2019. Die Leerstände von Einzelhandelsimmobilien in peripheren Lagen werden, wie bereits vor der Coronakrise, auch auf Grund des zunehmenden Online-Handels, zunehmen.
Sollte es möglich sein, eine zweite Viruswelle im Herbst zu vermeiden und mittels eines Impfstoffes die Krise im kommenden Jahr zu überwinden, glaube ich, wird sich die Wirtschaft und der Immobiliensektor in den Folgejahren gut entwickeln. Wer jetzt marktgerecht investiert, wird davon profitieren und sein Geld gut und auch inflationssicher anlegen können. Ausschlaggebend für den Immobiliensektor wird auch sein, welche Maßnahmen konkret in Italien seitens der Regierung gesetzt werden, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln und ob dieselben Früchte tragen oder nicht.
MS: Noch eine persönliche Frage zum Schluss: Was lehrt Sie diese Erfahrung in der Krise über die Zeit der Einschränkungen hinaus?
A. Benedetti: Als unsere Bewegungsfreiheit in der Phase des Lockdowns stark eingeschränkt war, erkannten wir, wie wertvoll die Demokratie ist, in der wir leben.