Interview mit Fam. Ortner-Kikinger
„Wir haben auch eine soziale Aufgabe“
Im Sommer 2020 von Eva Pföstl
175 Jahre ist ein besonderes Jubiläum – üblicherweise ein Anlass, um innezuhalten für Rückblick und Reflexion, aber auch, um nach vorne zu schauen. Wir haben Lisi und Erich Ortner, die seit über 50 Jahren das Traditionsgeschäft mit der originalen Nussholzfassade unter den Meraner Lauben leiten, um einem kurzen Rückblick gebeten. Mit David Ortner, der die Nachfolge übernommen hat, sprechen wir über die Zukunft.
Herr Ortner, Erfolg kommt nicht von ungefähr. Den muss man sich fast täglich neu erarbeiten, auch wenn man schon 175 Jahre alt ist. Wie war das bei Ihnen?
Erich Ortner: Einfach war es nie. Wir haben immer für unser Geschäft gelebt, die richtige Nische gefunden und uns Zeit für die Kunden genommen. Wenn wir heute erfolgreich auf die letzten Jahrzehnte blicken können, dann liegt dies auch daran, dass vor Jahren, manchmal Jahrzehnten, die richtigen Weichen gestellt wurden. Besonders meiner Frau, die sich immer mit viel Herzblut, Verstand und Tatendrang für unser Geschäft eingesetzt hat, ist unser Erfolg zu verdanken. Und unsere beiden langjährigen Mitarbeiterinnen Mirjam und Iris haben mit großer Professionalität diesen Erfolg nachhaltig mitgeprägt.
Frau Ortner, Sie feiern 175 Jahre Traditionsgeschäft Kikinger. Welche Gefühle löst das in Ihnen aus?
Lisi Ortner: Das Jubiläum bereitet mir große Freude, vor allem, dass die neue Generation weitermacht. Ich wünsche mir natürlich, dass es so weitergeht wie bisher.
Frau Ortner, inwiefern haben sich die Lauben Ihrer Meinung nach in den letzten Jahrzehnten verändert?
Lisi Ortner: Grundsätzlich haben sich die Lauben sicherlich zum Vorteil verändert. Dies besonders seit Einführung der Fußgängerzone, die ich immer unterstützt habe. Was sich definitiv verändert hat und leider nicht zum Guten ist die architektonische Gestaltung der neuen Betriebe bzw. deren Renovierung. Einige historische Gasthäuser wurden meines Erachtens regelrecht „verschandelt“ und es ist schade, dass nicht mehr Sensibilität zum Erhalt und zur Pflege unserer wertvollen historischen Bausubstanz vorhanden ist. Auch der zwischenmenschliche Umgang zwischen den Geschäftsleuten der Lauben hat sich verändert: Früher ging man nach Geschäftsschluss oft noch gemeinsam ein Gläschen trinken. Heute geht jeder nach Schließung der Läden nach Hause und alles ist etwas unpersönlicher geworden.
Frau Ortner, inwiefern haben sich die Kundenwünsche geändert?
Lisi Ortner: Viele unserer Kunden achten beim Kauf mehr denn je auch auf Produkteigenschaften wie Nachhaltigkeit, Sozialverträglichkeit und Gesundheit. Schon lange bevor Naturkosmetik in aller Munde war, habe ich unser Sortiment auf nachhaltige Naturkosmetik umgestellt und mittlerweile gewinnen nachhaltige Produkte mehr und mehr an Wertschätzung. Was sich im Laufe der Jahre nicht verändert hat, ist unsere soziale Aufgabe. Ja, der Einzelhandel erfüllt auch eine wichtige soziale Funktion: Viele Leute kommen bei uns im Geschäft vorbei um auch nur mal einen „Ratscher“ zu machen, das Neueste zu erfahren und vielleicht auch um ein bisschen der Einsamkeit zu entfliehen. Diesen wichtigen Aspekt des Einzelhandels sollte man nicht unterschätzen.
Herr Ortner, war es für Sie von Anfang an klar, dass Sie irgendwann das Geschäft von Ihren Eltern übernehmen werden?
David Ortner: Ich bin ein Quereinsteiger und erst seit September 2018 im Geschäft tätig. Vorher habe ich 20 Jahre lang als Sozialpädagoge gearbeitet. Im Laufe der letzten Jahre ist es mir jedoch bewusst geworden, wie wichtig es ist, ein erfolgreiches kleines Familienunternehmen weiterzuführen. Unser Geschäft war und ist in unserem Familienleben ständig anwesend, es sitzt mit am Frühstückstisch und beim Abendessen. Für mich ist es eine Ehre, Freude und natürlich auch eine Herausforderung das Geschäft zu übernehmen.
Herr Ortner, wie sehen Sie Ihre Zukunft?
David Ortner: Unser Geschäft ist ein Schmuckstück, hat Charme und Stil und ist unvergleichbar in Meran. Als Geschäftsleute können wir Ortners nicht nur auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurückblicken, sondern hoffentlich auch auf eine lange und erfolgreiche Zukunft. Sicherlich steht der Einzelhandel vor großen Herausforderungen, aber der Trend zur Nachhaltigkeit und Regionalität kommt uns durchaus zugute. Natürlich darf man heute auch die Internet-Konkurrenz nicht vergessen. Deswegen ist es wichtig, besondere Produkte mit hoher Qualität anzubieten und Mitarbeiter zu haben, die freundlich und professionell sind und auf den Kunden eingehen, sodass man sich vom Online-Handel abheben kann. Dies sind unsere Stärken und werden es auch weiterhin bleiben.