Interview mit Ing. Christoph Oberhollenzer
dem Schulleiter der Landesfeuerwehrschule
Meraner Stadtanzeiger: Herr Oberhollenzer, Südtirol hat 306 Freiwillige Feuerwehren im Land mit rund 13.000 aktiven Feuerwehrleuten. Muss jedes Mitglied der FF einen Kurs an der Feuerwehrschule absolvieren?
Christoph Oberhollenzer: Neben einer ausreichenden Anzahl an Feuerwehrleuten und einer zweckmäßigen Ausrüstung ist eine gute Ausbildung eine wichtige Voraussetzung für den Einsatzerfolg. Für alle Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren ist die Grundausbildung deshalb Pflicht und bildet die Basis. Sie besteht aus zwei einwöchigen Lehrgängen und zwar dem Grundlehrgang Brandeinsatz und dem Grundlehrgang Technischer Einsatz.
MS: Nach welchen Kriterien erfolgt die Einteilung der Kurse?
Ch. Oberhollenzer: Das Ausbildungskonzept für die Freiwilligen Feuerwehren sieht vier Ausbildungskategorien vor und zwar: die Grundausbildung, die Fachausbildung, die Sonderausbildung und die Führungsausbildung. Die Fachausbildung sieht aufbauend auf die Grundausbildung Lehrgänge für verschiedene Aufgaben und Funktionen vor, etwa in den Bereichen Atemschutz, Maschinisten, Gerätewartung, Funk- und Nachrichtendienst und Erste Hilfe. Stützpunktfeuerwehren sind für besondere Einsätze und Aufgaben, z. B. im Bereich gefährliche Stoffe und Chemieeinsätze oder Dammsicherung, ausgerüstet und werden im Rahmen der Sonderausbildung geschult. Die Führungskräfte müssen im Einsatz Entscheidungen treffen und Befehle geben; sie werden im Rahmen der Führungsausbildung darauf vorbereitet.
Insgesamt werden an der Feuerwehrschule rund 40 verschiedene Lehrgänge für Feuerwehrleute angeboten und damit kann der Ausbildungsbedarf gut abgedeckt werden.
Die Erstellung des Lehrgangskalenders erfolgt aufgrund der Auswertung der Teilnehmerzahlen und in Absprache mit den Lehrgangsbeauftragten der neun Feuerwehrbezirke. Die Lehrgangsbeauftragten teilen die Feuerwehrleute aufgrund der Meldungen von Seiten der Feuerwehren den Kursen zu.
MS: Wann finden die Kurse statt? Berufstätigkeit und FF unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach, unter anderem sind in den Dörfern viele Bauern Mitglieder der FF – wie kommen Sie da Ihren Teilnehmern mit den Kurszeiten entgegen?
Ch. Oberhollenzer: Die Lehrgänge an der Feuerwehrschule finden in der Regel an Wochentagen von Montag bis Freitag statt und haben eine Dauer von einem bis fünf Tagen. Das Schuljahr beginnt bereits um den 20. August und geht bis Ende Juni. Alle Freiwilligen Feuerwehrleute führen den gesamten Dienst freiwillig und ehrenamtlich durch. Die berufstätigen Feuerwehrleute sind auch bereit, die Kurse in ihrer Freizeit zu besuchen. Für Schüler und Studenten werden Lehrgänge in der unterrichtsfreien Zeit im August, Anfang September und in der Faschingswoche abgehalten. Landwirte, Handwerker und Bauarbeiter nutzen vor allem die Wintermonate, in denen sie beruflich leichter abkömmlich sind, für den Besuch der Feuerwehrlehrgänge. So versucht die Feuerwehrschule den Mitgliedern möglichst entgegenzukommen.
MS: Welche Voraussetzungen werden für die Ausübung des Freiwilligen Feuerwehrdienstes verlangt?
Ch. Oberhollenzer: Als aktive Mitglieder können nur geeignete Personen aufgenommen werden, die das 17. Lebensjahr vollendet haben und den Anforderungen des Dienstes in der Feuerwehr genügen. Die Diensttauglichkeit ist durch ein ärztliches Zeugnis zu belegen. Unsere Mitglieder besuchen die Lehrgänge mit viel Interesse und Motivation. Bis heute konnten alle Teilnehmer deshalb die Lehrgänge mit der vorgesehenen Prüfung erfolgreich abschließen. Wenn eine Prüfung nicht bestanden wird, ist es natürlich möglich, diese zu wiederholen.
MS: Hat die FF genügend Jugendliche als angehende Feuerwehrleute?
Ch. Oberhollenzer: Bei den Freiwilligen Feuerwehren gibt es zum Glück keine Nachwuchssorgen. Alle Feuerwehren bemühen sich, durch Informationsveranstaltungen, Besuch von Schulen usw. um eine ausreichende Mitgliederzahl. Bei vielen Feuerwehren gibt es zudem zur Nachwuchssicherung eine Jugendgruppe.
MS: Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es an der Landesfeuerwehrschule in Vilpian?
Ch. Oberhollenzer: Die Feuerwehrschule hat den Auftrag, für die Feuerwehrleute eine zeitgemäße und qualifizierte Ausbildung anzubieten. Zeitgemäße Ausbildung bedeutet, dass die Feuerwehrleute auf die Abwehr aller möglichen Gefahren und ihre übernommenen Aufgaben vorbereitet werden müssen. Für eine anschauliche und praxisbezogene Ausbildung sind entsprechende Übungsmöglichkeiten notwendig. Einsatzsituationen müssen realistisch darstellbar sein und dabei müssen auch der Umweltschutz und die Sicherheit der Lehrgangsteilnehmer beachtet werden.
Die Landesfeuerwehrschule verfügt seit Fertigstellung des 2. Bauloses im Mai 2002 über moderne Übungsanlagen. Dazu gehören unter anderem das gasbetriebene Brandübungshaus, der 50 Meter lange Übungstunnel sowie die Gleisanlage mit Personenzugwaggon und Kesselwagen. Brände, Unfälle auf der Straße und Schiene, Austritt von gefährlichen Stoffen und vieles mehr können so bei den Einsatzübungen simuliert werden. Feuerwehrfahrzeuge und Ausrüstung, die dem Stand der Technik entsprechen, stehen für die Übungen in ausreichender Anzahl zur Verfügung.
MS: Mit welchen Gefahren sind Feuerwehrleute konfrontiert (z.B. chemisches Gefahrengut auf der Straße, Gasexplosionen ...)?
Ch. Oberhollenzer: Alle bei Einsätzen möglichen Gefahren lassen sich in folgende neun Gefahrengruppen einteilen: Atemgifte, Angstreaktion, Ausbreitung, atomare Gefahren, chemische Stoffe, Erkrankung/Verletzung, Einsturz, Explosion und Elektrizität.
Bei allen Bränden sind Gefahren durch die Flammen, die Hitze und den giftigen Brandrauch gegeben. Außerdem können noch weitere Gefahren dazukommen wie Explosionsgefahren, wenn z. B. an der Brandstelle Gasflaschen oder brennbare Gase, brennbare Flüssigkeiten wie Lacke und Lösungsmittel vorhanden sind. Bei Großbränden ist auch die Gefahr eines Gebäudeeinsturzes zu beachten. Bei Unwettereinsätzen können Feuerwehrleute durch Steinschlag und Murenabgänge gefährdet sein. Bei Einsätzen mit gefährlichen Chemikalien hängen die Gefahren von den Eigenschaften der gefährlichen Stoffe ab: diese können giftig, ätzend, gesundheitsschädlich, brennbar usw. sein. Gefahren durch Elektrizität bestehen z. B. bei Einsätzen in elektrischen Anlagen und in der Nähe von Hochspannungsleitungen. In der Feuerwehrschule lernen die Feuerwehrleute, die Gefahren zu erkennen und zu bewerten, die Möglichkeiten, sich vor diesen sich zu schützen und sie zu bekämpfen.